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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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Verständnis der
menschlichen Kultur von großer Bedeutung. Der Mensch ist der
Affe, der am besten nachäffen kann .
    Tatsächlich wurden unsere Gehirne im Verlauf der Evolution so
konfiguriert, dass wir zu wahren Meistern der Imitation wurden. Gerade in dieser Hinsicht sind wir Schimpansen deutlich überlegen:
»Vergleicht man das Lernverhalten von Schimpansen und Kindern«, schreibt der
Evolutionsbiologe Thomas Junker, »so zeigt sich bei Kindern eine höhere
Kopiergenauigkeit. Während Schimpansen in ihrem Verhalten eher pragmatisch auf
das Ziel orientiert sind, versuchen Kinder das Verhalten anderer genau
nachzuahmen, auch wenn das im Einzelfall weniger effektiv ist.« 92 Warum, so werden Sie sich
vielleicht fragen, ist dieses exakte Kopieren so wichtig? Antwort: Weil es die entscheidende Grundlage für die erfolgreiche
Weitergabe von sozialen Lernerfahrungen ist, also die Basis jeglicher
Traditionsbildung. Ohne unsere Bereitschaft, das Verhalten anderer
perfekt nachzuahmen, könnten wir keine Sprache erlernen, komplexe Kulturtechniken
wie Lesen, Schreiben, Rechnen hätten sich nie entwickelt, geschweige denn
Wissenschaft, Philosophie und Kunst. Mit anderen Worten: Die
Fähigkeit zu genauer Imitation ist die Wurzel aller menschlichen Kulturleistungen,
allerdings: Sie ist auch die Wurzel aller menschlichen Dummheit.
    Warum? Weil der Mensch darauf programmiert ist,
alles zu imitieren, was er in seiner Kultur vorfindet – selbst den allergröbsten, hirnvernebelnden Schwachsinn! Für
Kinder ist diese bedingungslose Bereitschaft zur Nachahmung lebensnotwendig.
Würden sie nicht von sich aus versuchen, Laute zu imitieren, deren Sinn sie
nicht verstehen, könnten sie niemals eine Sprache erlernen. Auch später noch
sind sie in ihrem Bestreben, sich in der Welt zu orientieren, auf Gedeih und
Verderb ihrem kulturellen Umfeld ausgeliefert. Neugierig saugen sie alle
Informationen auf, die ihnen geboten werden. Dabei ist ihr Vertrauen in die
Richtigkeit der Aussagen ihrer Bezugspersonen in den ersten Jahren grenzenlos.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass ihr eigenes Weltbild noch nicht so fest
etabliert ist, dass sie auf seiner Grundlage die Stimmigkeit von Behauptungen
überprüfen könnten. Mit der Zeit aber erlernen sie ein ganzes Arsenal
tradierter Sichtweisen, die ihre Vorstellungen von wahr und falsch, gerecht und
ungerecht, schön und unschön bestimmen. Ebendies ist es, was hier unter dem
Begriff »kulturelle Matrix« verstanden werden soll: ein
Programm zur gesellschaftlichen Normierung individueller Denk-, Empfindungs-
und Handlungsgewohnheiten.
    Selbstverständlich sind derartige Normierungsprogramme historischen
Schwankungen unterworfen. Sie sehen heute deutlich anders aus als zur Zeit der
Sklavenhaltergesellschaft, der Kreuzzüge oder des Kalten Krieges. Auch die
lokalen Differenzierungen sind beachtlich: So unterscheidet sich die kulturelle
Matrix in Westeuropa erheblich von den Normierungsprogrammen in Russland,
China, Indien, Saudi-Arabien oder Iran. Dennoch gibt es abseits dieser historischen
und lokalen Unterschiede eine große Gemeinsamkeit: Alle
Kulturen, die der Mensch hervorbrachte, legten großen Wert darauf, ihren
Nachwuchs möglichst früh nach dem eigenen Bilde zu formen.
    Dies wäre unproblematisch, würden sich die Kulturen darauf
beschränken, nachrückenden Generationen neben basalen Kulturtechniken
gesichertes Wissen über die Welt zu vermitteln. Doch Homo
demens wäre nicht Homo demens , wenn er es
dabei belassen würde. Tatsächlich gilt: Je unrealistischer,
je unsinniger, je grotesker eine kulturelle Vorstellung ist, desto höher ist
der Aufwand, der betrieben wird, um sie in die Köpfe der Jüngsten
einzupflanzen!

Ideologischer Kindesmissbrauch
    Nirgends wird dies deutlicher – hier muss man Sigmund
Freud beipflichten – als im Fall der religiösen Erziehung. Es ist wirklich zum
Haareausreißen, mit welch debilem Quark wehrlose Kinder schon in der Familie,
im Kindergarten, in der Grundschule, schlimmer noch: in christlichen Sonntags-
oder muslimischen Koranschulen, gefüttert werden. Muss man sich noch wundern,
dass die meisten Menschen niemals eine funktionstüchtige intellektuelle
Immunabwehr aufbauen können, wenn sie bereits mit der kulturellen Muttermilch
eine solche Überdosis hirnzersetzender Schadstoffe aufnehmen müssen?
    Gewiss: In den meisten Ländern der Welt ist der Grad der
religiotischen Durchseuchung um ein Vielfaches höher als im weitgehend
säkularisierten Europa.

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