Keine Pizza für Commissario Luciani
Kommissar, »ist einer Ihrer Mitbewohner, Ihrer Freunde unter tragischen Umständen verschieden.
Ich kannte Marietto, wenn auch nicht so gut wie Sie, und was ihm zugestoßen ist, hat mich ehrlich berührt. Hinter seinem Tod
verbirgt sich aber kein Mysterium. Wäre das Gegenteil der Fall, wüsste das niemand besser als ich, da ich die Ermittlungen
leite.«
»Haben Sie denn die Obduktionsergebnisse vorliegen?«, fragte ein Heimbewohner aus der letzten Reihe.
»Sicher. Ich selbst hatte die Untersuchung angeordnet, |146| um auch den leisesten Zweifel auszuräumen. Aber ich wiederhole, es gibt nicht das geringste Verdachtsmoment.«
Der Alte ließ nicht locker: »In den Zeitungen steht, dass er sich erschossen hat. Und dass er eine Schädelverletzung hatte.
Am Anfang dagegen hieß es, er wäre ertrunken. Wenn das kein Verdachtsmoment sein soll …«
Der Vater von Ellery Queen, der hat uns gerade noch gefehlt, dachte Marco Luciani und lächelte ihn weiter an.
»Vermutlich ist sein Kopf gegen einen Felsen geschlagen, als er bereits tot war. Die Obduktion hat bestätigt, dass Herr Risso
ertrunken ist. Wir gehen davon aus, dass er sich … in den Kopf geschossen hat und dann ins Meer gestürzt ist. Es gibt keinen
Grund anzunehmen, dass er ermordet wurde.«
»Ach nein? Und woher hatte er die Pistole?«
»Es ist leider nicht schwierig, sich eine Pistole zu beschaffen.«
»Und wo ist sein Parka hingekommen?«, fragte der Krakeeler.
»Welcher Parka?«
»Als er von hier aufgebrochen ist, trug er seinen Parka. Als er gefunden wurde, war er nicht mehr da. Wo hat er ihn ausgezogen?
Und warum?«
Er sprach in einem Ton, als hätte er ein verblödetes Kind vor sich, und Marco Luciani schwoll allmählich der Kamm. Wenn der
Alte mit harten Bandagen kämpfen wollte, bitte schön.
»Ich verstehe«, sagte er in sarkastischem Ton. »Gut, dass Sie mir das gesagt haben. Jetzt bin ich sicher, dass es sich nicht
um Suizid, sondern um Mord, um Raubmord handelt. Man hat ihn umgebracht, um ihm den Parka zu stehlen.«
Ein beleidigtes Gemurmel ging durch die Reihen.
»Wenn ihr so mit der Hilfestellung eurer Steuerzahler verfahrt …«
|147| »Sag ihm das mit dem Deutschen.«
»Mit wem?«
»Mit dem Nazi.«
»Dem Ratzi?«
»Dem NAZI!«
»Ach ja, genau. Sie würden sich Ihren ironischen Ton verkneifen, wenn ich Ihnen sagte, dass just vor einer Woche ein Naziverbrecher
im Ort gesehen wurde.«
»Wer soll das sein?«, fragte Luciani mit aufrichtiger Neugierde.
»Den Namen weiß ich nicht. Aber die Lina hat ihn wiedererkannt, es war einer von den Partisanenjägern, einer von diesen Schweinen.
Lina, sag’s ihm, dem Kommissar.«
Alle drehten sich zu einer alten Frau um, die über einem Auge ein Pflaster trug und deren Gesicht zur Hälfte von einer furchtbaren
Krankheit gezeichnet war.
»Ja, ja, genau so ist es. Ich habe ihn nicht gesehen, aber meine Enkelin, die mit dem Kiosk, die hat ihm eine deutsche Zeitung
verkauft. Sie hat mir auch gesagt, wie die Zeitung hieß, ich habe es hier aufgeschrieben, damit ich es nicht vergesse«, sagte
sie und suchte die Taschen ihres Hausmantels ab, bis sie endlich einen Zettel hervorzog. »›Di Zait‹, genau, ›di Zait‹.«
Marco Luciani verdrehte die Augen. »Ihrer Meinung nach ist also dieser – mindestens neunzigjährige – Deutsche nach Camogli
in den Urlaub gekommen, hat in Marietto zufällig den ewig flüchtigen Partisanen wiedererkannt, den sie jahrelang erfolglos
gejagt hatten, hat sich mit ihm am Strand zum finalen Showdown verabredet und ihn erschossen.«
Der Tonfall des Kommissars war sarkastisch gewesen, aber die Rekonstruktion schien die Alten in Fahrt zu bringen. »Ja, das
ist möglich.« – »Klar.« – »Genau so war es, ja, genau so.« – »Er hat ihn mir umgebracht, dieser alte Hurensohn, ja, das hat
er!«, sagte einer der Ältesten und |148| erhob sich mit geballter Faust. »Ich sorge dafür, dass ihm dasselbe Schicksal zuteilwird wie seinen faschistischen Freunden.«
Ein anderer Bewohner stand auf und schwenkte nun seinerseits den Stock. »Warum, was für ein Schicksal hast du den Faschisten
denn zuteilwerden lassen, du feiger Ziegenpeter! Der du dich in die Berge verkrochen hast, damit du nicht nach Russland musst?«
Kurz darauf brüllten alle aus vollem Hals. Schwester Maura versuchte vergebens, ihre Schäfchen zu beruhigen, und warf Luciani
einen flammenden Blick zu. Der Kommissar musste seine ganze Autorität einsetzen, um
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