Keine Pizza für Commissario Luciani
wie ein Schuljunge gekommen, Herr Abgeordneter.«
Ludovico senkte den Blick. »Entschuldige. Ich war übererregt. Ich warte schon seit einer Woche.«
»Lügner. Als ob du die Ernennung nicht mit deiner Frau gefeiert hättest.«
Der Abgeordnete Ranieri zog sein Hemd aus. Es war mit Lippenstift verschmiert, drei Knöpfe fehlten. Aber das war es wert gewesen.
Er wischte sich mit dem Hemd sauber, knüllte es in den Papierkorb und holte ein neues aus der Schublade. Zum Glück hatte er
auch eine Reservekrawatte.
»Ich habe dir gesagt, dass ich mit meiner Frau … Wir haben es schon seit Monaten nicht mehr getan.«
»Wirklich eine tolle Ehe. Die sollte man unbedingt retten.«
»Hör mal, versuch realistisch zu denken. Vor den Wahlen |172| hätte ich sie bestimmt nicht verlassen können. Das wäre glatter Selbstmord gewesen.«
»Und jetzt?«
»Und jetzt ist, wenn wir den richtigen Moment abwarten, alles möglich. Gib mir Zeit, mich zu akklimatisieren und ein paar
Sachen anzuschieben. Mich bei den Leuten beliebt zu machen. Für einen Politiker bin ich noch jung, aber ich habe gute Chancen,
Minister zu werden.«
Sie schaute ihn skeptisch an. »Minister?«
»Kulturminister. Gut, das ist alles noch nicht spruchreif, aber die eine oder andere Bemerkung … Ich habe einen guten Draht
zu Tommasi, dem zukünftigen Innenminister, und zu Grossi, der wird Finanzminister. Auch der große Häuptling hat mich begeistert
aufgenommen. In dieser Runde sind erst einmal die anderen am Zug, es ist noch zu früh, aber beim nächsten Mal …«
»Du meinst, in fünf Jahren.«
»Das ist nicht gesagt. Es gibt Regierungsumbildungen. Und die Posten als Staatssekretär. Man darf sich nur keinen Fehltritt
erlauben.«
Sabrina seufzte. Man kann einen Klepper nicht in ein Vollblut verwandeln, dachte sie, aber einen gutaussehenden, mäßig intelligenten
Mann zum Minister zu machen, das ging durchaus. Sicher, ihre Schachzüge wollten wohldurchdacht sein, nicht, dass ihr nach
all der Mühe eine andere die Früchte ihrer Arbeit vor der Nase wegschnappte.
»Ach, übrigens«, sagte er, »ich habe den sechsten Mann gefunden.«
»Wirklich?!«
»War nicht einfach. Ich musste einen Freund im Innenministerium einschalten und mir eine glaubwürdige Geschichte ausdenken.«
»Und wo lebt er?«
»In Camogli, in einem Altersheim.«
|173| Achtundzwanzig
Luciani
Varigotti, heute
Bei Spotorno fuhr Marco Luciani von der Autobahn ab, dann brauchte er eine halbe Ewigkeit, bis er auf die Aurelia kam, der
er in derselben Richtung weiter folgte. Zu seiner Linken lag die See, er öffnete das Seitenfenster und sog tief die klare,
milde Luft ein. An solch einem Tag wusste man, warum man auch im Winter gerne am Meer lebte. Die westliche Riviera unterschied
sich stark von der im Osten, es gab lange Sandstrände, weniger Felsküste und somit viel mehr Massentourismus. Aber auch hier
fehlt es nicht an malerischen Örtchen, dachte er, während er die lange Gerade bei Noli passierte, um dann vorsichtig die Kurven
vor der Baia dei Saraceni zu nehmen. In Varigotti angelangt, ließ er das Auto an der Aurelia stehen und ging Richtung Strand.
Dort gab es nur ein rotes dreistöckiges Haus. Die Haustür, die ganz aus bunten Glasstückchen bestand, räumte auch den letzten
Zweifel aus. Luciani hatte noch nicht geklingelt, als schon die Tür aufsprang und von oben Ciro Mennellas Stimme ertönte.
»Nur hereinspaziert, Commissario. Ich habe Sie kommen sehen. Gehen Sie die Treppe ganz hoch, ich bin auf der Terrasse.«
Marco Luciani stieg die ungewöhnlich schmalen und steilen Stufen hoch, wobei der feuchte Wandputz an seiner Jacke hängenblieb.
Das Gebäude hätte ein paar Renovierungsmaßnahmen vertragen können, die Zimmer waren aber, soweit er von der Treppe aus sehen
konnte, hübsch eingerichtet und penibel aufgeräumt. Als er auf die Terrasse trat, stockte ihm kurz der Atem: Das Panorama
war |174| phantastisch. Vor ihm das Meer, davor ein menschenleerer Kiesstrand, zur Linken die üppig bewachsene Felsspitze, die mit großzügiger
Geste einen winzigen Nudisten-Strand verbarg, den man nur schwimmend oder zu Fuß über die steilen Klippen erreichen konnte.
Ciro Mennella gab ihm die Rechte und wischte mit der Linken den Putz von Lucianis Jackenärmel. »Sie müssen verzeihen, ich
habe erst letztes Jahr die Wände gestrichen, aber das ist eine Katastrophe hier, die Seeluft frisst alles auf: Wände, Rohre
und Mobiliar. Darf ich
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