Keine Pizza für Commissario Luciani
dass er auf den Sarazenenturm zurannte, und blieb stehen. Auch seine Phantasie ging mit ihm durch. Er
musste sich auf die Fakten stützen, sonst würde er bald zu dem Schluss kommen, dass Marietto den alten Nazi-Kriegsverbrecher
wiedererkannt hatte, der »Die Zeit« kaufte, und dass er sich an dessen Fersen geheftet hatte, bis die Organisation Odessa
gekommen war und ihn gestoppt hatte.
In aller Ruhe ging er zurück zum Auto und kratzte dabei weitere Details des Bildes ab. Es steckte wirklich etwas dahinter,
aber es war zu früh, sich festzulegen. Ihm schien jedoch, als sähe er einen Fetzen Himmel durchschimmern, eine Landschaft.
Vielleicht einen Strand. Dieser Aufkleber auf dem Glas mit dem Schriftzug »Ventotene« übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft
auf ihn aus.
|187| Neunundzwanzig
Sabrina
Drei Monate zuvor
»Also? Wann wirst du mit deiner Frau reden?«
Ludovico seufzte: »Bald, habe ich doch gesagt.«
Sabrina lachte bitter. »Himmel, ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages solche Sätze sagen würde. Wir wirken wie zwei
Figuren aus einer Vorabendserie.«
»Genau. Wie in ›Denver Clan‹.«
»Das ist Kram aus deiner Zeit. Ich würde eher sagen: ›Dirty Sexy Money‹. Egal, am Ende ist es immer dasselbe Strickmuster.
Verheirateter Mann, langweilige Ehefrau, junge Geliebte.«
»Dasselbe wie vor sechs Jahren. Vor sechs Jahren war ich bereit, alles aufzugeben, aber du dachtest überhaupt nicht daran,
weil ich ein Loser war. Jetzt, wo ich Macht habe, wo ich im Parlament sitze, da stehst du wieder auf der Matte.«
Sie riss die Augen auf. »Denkst du wirklich so darüber? Ist dir nicht klar, dass unsere Beziehung damals keine Zukunft hatte
und dass das jetzt nicht mehr gilt? Wenn ich dich nicht verlassen hätte, dann wärst du ein Loser geblieben, Ludovico. Das
weißt du genauso gut wie ich. Ich behaupte nicht, dass ich es für dich getan hätte, ich habe es für uns beide getan. Damals
brauchtest du deine Frau und ihre Familie noch, jetzt hast du aber gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen, und ich auf meinen.
Du verdienst gut, und wenn wir diesen verdammten Kopf finden …«
»Wenn wir ihn finden!«
»Wir finden ihn. Gib mir noch ein bisschen Zeit, und ich serviere ihn dir auf dem Silbertablett. Dann werden wir mehr Geld
haben, als wir je ausgeben können.«
|188| Sie kam näher und schmiegte sich an ihn. »Sehen Sie, Herr Abgeordneter? Es gibt keinen Grund, warum wir nicht zusammen sein
sollten.«
»Meine zwei Töchter sind ein exzellenter Grund«, sagte er und löste sich aus ihrer Umarmung.
Sie zuckte mit den Achseln. »Es würde ihnen besser gehen, wenn ihre Eltern getrennt wären, statt einander anzuöden.«
»Das behauptest du. Und die Tatsache, dass du mich nicht liebst, ist noch ein exzellenter Grund.«
»Woraus schließt du, dass ich dich nicht liebe?«
»Zum Beispiel aus der Tatsache, dass du es mir noch nie gesagt hast.«
»Ich sage es vielleicht nicht, aber zeige ich es dir denn nicht zur Genüge? Spürst du nicht, wenn du mit einer Frau schläfst,
ob sie dich liebt?«
Ludovico antwortete nicht. Dessen war er sich tatsächlich nicht sicher. Und jedenfalls hatte Sabrina recht: Der entscheidende
Punkt war inzwischen nicht mehr die Liebe, entscheidend war, was sie beide vom Leben wollten.
»Im Januar oder Februar wird das Kabinett umgebildet werden«, sagte er, »vier oder fünf Minister werden ihren Hut nehmen müssen,
und ich glaube, der Kulturminister gehört dazu. Du könntest die Sache langsam bei deinen Kollegen in der RAI durchsickern
lassen und dafür sorgen, dass mein Name unter den Nachfolgekandidaten gehandelt wird. Ich setze inzwischen, mit Hilfe von
Grossi und anderen, ein paar Hebel in Bewegung, damit klar wird, dass ich zur Verfügung stehe und dass ich neue, konkrete
Ideen einbringe. Wenn aber mein Schwiegervater mich auffliegen lässt, wenn die anderen mitbekommen, dass ich familiäre Probleme
habe …«
Sabrina setzte sich im Bett auf: »Wer hat die nicht? Eure Obermacker leben alle in Scheidung oder getrennt. So |189| etwas zählt doch heute gar nicht mehr. Wenn schon, dann ist es eher ein Pluspunkt.«
»Du machst Witze.«
»Ich meine es ernst, Ludovico. Die Wähler haben keine Lust, immer dieselben Visagen zu sehen. Sie wollen neue Politiker oder
solche, die für Erneuerung sorgen. Eure Führungsfiguren suchen sich alle jüngere Mädchen und zeugen Kinder oder machen zumindest
glauben, sie hätten
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