Keine Schokolade ist auch keine Loesung
Schätzchen«, sagt eine Frau, die ich bis jetzt noch nicht wahrgenommen habe. Sie steht am Rand im Halbdunkel, aber ich kann ihre Louboutins und das goldene Funkeln an ihrem Handgelenk dennoch sehen. Es ist die Frau, die ich in letzter Zeit so häufig mit Christopher morgens aus dem Aufzug habe kommen sehen. »Nimm den Arm wieder runter und erzähl uns, was in dir vorging, als ein Mann direkt vor deinen Augen angeschossen wurde.«
»Ich will nicht.«
Tania behält ihren Arm dort, wo er ist. Dem bisschen nach zu urteilen, was ich von ihrem Gesicht sehen kann, scheint es denselben olivgrünen Farbton zu haben wie die Wände im Flur vor dem Aufzug.
»Bleib ganz ruhig, Baby«, sagt Jordan, während er den Arm um die zierliche Gestalt seiner Frau legt und sie zärtlich anblickt, obwohl das Einzige, das er in seiner Position von ihr sehen kann, wahrscheinlich ihr Ellenbogen und vielleicht ihre Knie sind. »Ich weiß, das war hässlich, was wir heute Abend erlebt haben. Aber du hast gehört, was die in der Notaufnahme gesagt haben. Mit Geduld und unseren Gebeten wird Bear wieder auf die Beine kommen. Und bis dahin werde ich dich beschützen. Und das Baby auch, wenn es da ist. Ich werde nicht zulassen, dass einem von euch etwas zustößt, das schwöre ich. Nicht solange meine Lungen auch nur noch einen Atemzug tun können.«
Ich traue meinen Ohren kaum. Jemand namens Bear wurde vor Tanias Augen angeschossen? Und sie soll im Penthouse der Fischer Hall vor der Kamera darüber reden? Warum?
»Das ist gut, Jordan«, sagt Goldrolex aus dem Halbdunkel. Im Schimmer ihrer Armbanduhr kann ich sehen, dass sie ein Handy an ihrem Ohr hält. »Aber kannst du das alles wiederholen, und kannst du, Tania, dieses Mal den Arm runternehmen und Jordan dabei ansehen?«
Plötzlich gehen beide Scheinwerfer aus und hüllen den Raum in Dunkelheit. Jemand schreit auf.
Das Zimmer ist nicht in völlige Dunkelheit gehüllt. Zahlreiche Tiffany-Lampen, die Mrs. Allington gehören, brennen auf Beistelltischen weiter, und draußen auf der Terrasse funkeln Lichterketten, also gibt es durchaus noch genügend Licht, um etwas zu sehen. Aber der plötzliche Helligkeitsunterschied ist irritierend, und es dauert einen Moment, bis sich jedermanns Augen daran gewöhnt haben.
»Was zum …«, schreit Christopher.
»Ich dachte, die Szene wäre richtig gut gewesen«, bemerkt Jordan über seinen eigenen Auftritt vor der Kamera. »Könnt ihr denn nichts davon verwenden?«
Niemand beachtet ihn. Alle wuseln umher und versuchen herauszufinden, was passiert ist. Die Produktionsassistentin schimpft mit dem Kameramann.
»Ich habe dir gesagt, wir hätten die Softbox nehmen sollen«, meckert sie. »Diese Tageslichtleuchten lassen jedes Mal die Sicherung rausfliegen in so klapprigen alten Gebäuden.«
»Entschuldigung«, sage ich, wieder und wieder, während meine Stimme an Tonhöhe und Lautstärke zunimmt, bis ich schließlich die volle Aufmerksamkeit aller Anwe senden habe. Dann halte ich das Kabelende hoch, das ich aus der Steckdose gezogen habe. »Das war nicht die Sicherung. Das war ich. Ich glaube, der richtige Ausdruck ist … Cut.«
4
Tania Be Me
I ain’t Christina, wagging my thing
I ain’t Beyoncé, flashing my ring
Who am I? You want to know?
Who am I? Just watch the show
I ain’t no Katy, bouncing my bling
I ain’t no Fergie, flinging my fling
Who am I? You want to know?
Who am I? Just watch the show
Who am I? Just wait and see
Who am I?
Tania be me
Tania be me
Text und Musik: Larson/Sohn
Cartwright Records Television
Titelsong von Jordan liebt Tania
»Um die Sicherheit und Privatsphäre aller Bewohner zu gewährleisten, sind Filmaufnahmen in den Wohnheimen des New York College ohne eine offizielle Genehmigung nicht erlaubt«, sage ich.
Erstaunlicherweise ist das der Satz, den ich mehrmals pro Woche sage, meistens zu Gavin, der Quentin Tarantino nacheifert. Aber das Filmverbot im Gebäude hat eigentlich nichts mit dem Schutz der Privatsphäre zu tun. Tatsächlich wurde ich schon öfter, als ich zählen kann, in verrauchte Flure gerufen, jedes Mal verursacht durch Blitzlicht-Farbfilter (was immer man sich darunter vorzustellen hat). Und ich will gar nicht erst von den Studenten anfangen, die versuchen, ihr Studium zu finanzieren, indem sie Amateurpornos drehen.
»Und?«, frage ich, als die ganze Meute mich anstarrt. »Hat hier jemand eine offizielle Genehmigung? Ich habe nämlich nichts Schriftliches bekommen über dieses … dieses
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