Keine Schokolade ist auch keine Loesung
oder so, wir sind tot.«
»Warum?«, frage ich mit wachsender Panik. »Warum sind wir tot, wenn es diese Frau ist? Hast du etwa ihr Foto auf der Fahndungsliste des FBI entdeckt? Unter den meistgesuchten Verbrechern?«
»Sie wirkte einfach so … so …« Sarah scheint das Wort nicht zu finden, nach dem sie sucht.
Ich fange wieder an zu laufen. Es ist mir egal, wie viele Touristen mich aus den Sex-and-the-City -Tourbussen fotografieren, während ich meine Brüste mit einem Arm abstütze.
»Steif? Als hätte sie einen Stock im Hintern?« Ich versuche, an all die Sorten von Frauen zu denken, mit denen ich am allerwenigsten zusammenarbeiten möchte. »Eine, die nur wegen des Geldes heiratet? Eine Soziopathin?«
»Kess«, beendet Sarah ihren Satz.
»Oh«, sage ich. Ich kann nicht mehr, und ich habe erst die Fünfzehnte Straße erreicht. Ein Schweißbach rinnt in mein Dekolleté, immer ein attraktiver Anblick, wenn man zum ersten Mal seinem neuen Chef begegnet. »Kess ist gut«, sage ich japsend. »Kess ist besser als Simon. Der ist …« Mir fällt nicht einmal ein Begriff ein, um Simon zu beschreiben, weil mich mein Hass auf ihn blind macht.
»Nicht diese Art von kess«, sagt Sarah. »Sie sah aus wie eine Verbindungsstudentin. Von der schlimmen Sorte. Als hätte sie Kessheit studiert. Die Am-liebsten-würde-ich-ihr-meine-Faust-in-den-Magen-rammen-weil-sie-so-kess-ist-Art von kess.«
»Sarah«, sage ich. Es scheint zwar ein Ding der Unmög lichkeit zu sein, aber Sarahs Einstellung ist tatsächlich beängstigender als die Vorstellung, dass Simon mein Chef wird. »Sie kann nicht so schlimm sein. Was ist los mit dir?«
Sarah hat schon die ganze Woche eine furchtbare Laune, eigentlich schon seit mehr als einer Woche, und sie hat mir bis jetzt keine Erklärung dafür gegeben – zumindest keine, die einen Sinn ergibt. Sie hat versucht, es auf alles Mögliche zu schieben, angefangen von der geschlossenen Cafeteria, weshalb sie den ganzen Weg durch den Park gehen muss, um sich ihren Kaffee im Stiefmütterchen-Café zu holen, bis zu dem Umstand, dass ich zu viele Frauen für das Büro eingestellt habe, was nicht einmal im Entferntesten wahr ist, weil nur wir zwei dort arbeiten und Brad, einer unserer Bewohner, der von seinem Vater mitgeteilt bekam, dass er sich die Mühe sparen könne, in den Sommerferien nach Hause zu kommen, nachdem dieser dahintergekommen war, dass sein Sohn schwul ist. Brad verfügt als Werkstudent nur über ein sehr begrenztes Einkommen und kann sich keine andere Bleibe leisten. So beschlossen Sarah und ich einstimmig, ihm freie Unterkunft in der Fischer Hall gegen zwanzig Arbeitsstunden in der Woche anzubieten. Er vertritt uns in der Mittagspause.
»Unsere Eisprungzyklen haben sich synchronisiert. Das passiert, wenn Frauen zu viel Zeit miteinander verbringen. Und falls Dr. Jessup diese Frau eingestellt hat, macht das die Sache nur noch schlimmer. Mir wäre es fast lieber, er hätte Simon genommen«, krakeelt Sarah.
Ich stehe kurz davor, in die Luft zu gehen. »Sarah«, fahre ich sie an, »Professor Lehmann aus meinem Einführungsseminar in Psychologie sagt, dass es so etwas wie menstruelle Synchronisation nicht gibt. Die Studien, in denen diese angebliche Tatsache nachgewiesen wurde, so stellte sich später heraus, basierten auf fehlerhaften Daten und mangelhaften statistischen Auswertungen. Es wun dert mich, dass du das nicht weißt, schließlich studierst du Psychologie im Hauptfach. Außerdem sind bei uns im Büro doch nicht nur Frauen beschäftigt. Da ist noch Brad …«
»Schwul«, sagt Sarah. »Der zählt nicht.«
»… und ich nehme die Pille im Langzyklus«, fahre ich fort, ihre Bemerkung ignorierend. »Also habe ich weder einen Eisprung noch eine Periode.«
»Ach«, sagt Sarah, erstaunt, »das kann aber nicht gut sein für dich.«
»Woher willst du das wissen?«, entgegne ich. Es gelingt mir nur schwerlich, Geduld zu bewahren. »Bist du mein Arzt? Nein. Also kannst du dir auch nicht wirklich ein Urteil erlauben, oder?«
»Na gut«, sagt Sarah. »Tut mir leid, okay?«
Ich hole tief Luft. Es ist nicht so, als würden wir im Büro herumsitzen und ständig über solche Dinge quatschen, wie die Frauen in diesen dämlichen Werbespots. Aber bei meiner letzten Untersuchung fragte meine Gynäkologin mich, wie es mit meinem Liebesleben aussähe, und ich erwähnte, dass ich heimlich verlobt sei (ich schätze, allmählich ist es nicht mehr so ein großes Geheimnis).
»Schön für Sie,
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