Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
aus. Einhundertmal.
Nach und nach betraten ein paar Kendoka das Dojo, aber niemand quasselte, alle achteten seine Übung und umgingen ihn so, dass er sich entfalten konnte.
Jetzt kam die Ruhe wieder, endlich.
Noch zweihundert gesprungene Haya-suburi – Ichi. Ni. San. Chi. Go. Roku –, dann war er bereit zu üben.
Sie hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, schaute zur Decke des Hotelzimmers. Es gab im Augenblick nichts, was sie tun konnten. Ihr Ziel würde sich vorerst nicht wegbewegen. Ihr Wagen würde abgeholt und ein neuer gebracht werden, dann war diese Gefahrenquelle auch ausgeschaltet. Der Fahndungsring stand sicher nicht mehr, und gegen Abend würde die Aufmerksamkeit der Polizei auch abnehmen. Die würden es drangeben. Es war nicht wahrscheinlich, dass sie überhaupt eine taugliche Beschreibung des Kfz hatten, konnten sie eigentlich nicht wirklich. Aber sicher war sicher.
Der kleine Bulle.
Immer wieder nahm sie den Zettel in die Hand und las die Nummer. Süßer Typ. Total naiv bestimmt, aber süß. Wie ein Neandertaler würde der nicht auf ihr herumhämmern. Sie kicherte. Nein, das war das Metier ihres Superpartners. Der hatte eine kostengünstige Muckibude gefunden und reagierte sich jetzt an den Geräten ab.
»Noch ’n bisschen Sauna. Können ja später was picken gehen.« Tasche auf die Schulter, Kaugummi und Tür zu.
Ja, ja. Er war so durchsichtig. Wollte in der Sauna seinen scharfen Body rumzeigen, und falls keine der Tussen dort auf ihn ansprang, würde sie sich überlegen müssen, ob sie sich heute schon wieder von ihm quer durchs Zimmer vögeln lassen wollte. Er war nicht gemacht fürs Warten, das wusste sie schon lange. Keine Nerven, dafür nervte er. Sie lachte.
Der Bulle würde sie auf Dauer auch nerven, das war klar. Sie stand überhaupt nicht auf die Verständnisvollen, auch wenn es nicht gleich solche Arschlöcher wie der Neandertaler sein mussten. Aber gerade fand sie es ganz nett.
Vor allem aber konnte der Typ ihnen total nützlich sein. Ihr Vorhaben hier war langwierig und riskant. Durch die Toten war die Polizei nun sowieso im Spiel, und es könnte noch überlebenswichtig sein, eine interne Quelle bei denen zu haben.
Sie sah auf die Uhr. Vor acht würde sie vom Neandertaler nichts zu sehen kriegen. Jetzt war es Viertel nach zwei. Sie schnappte ihr Handy.
Mailbox. Mist.
»Hey, du. Ich bin’s, die Hungrige ohne Geld von gestern Abend. Jetzt siehste ja meine Nummer. Ruf an, ich freu mich.«
Sie biss sich auf die Lippe, schaute in den Spiegel an der Garderobe.
Sie war sexy. Super durchtrainiert, das machte natürlich manchen Männern Angst. Definierte Muskeln, aber süße Titten, schöner Po. Sie verwuschelte ihr Haar und machte Schmollmündchen. Marilyn-Pose und Hu-du-starker-Mann-Blick, in Slip und Sport- BH .
Richtig blöd, dass er jetzt nicht drangegangen war. Sie hatte sich tatsächlich gefreut. Man musste gucken, dass bei dem Job der Spaß nicht zu kurz kam.
Ihr Handy. Sie schaute aufs Display. Strike.
Ihr Herz machte tatsächlich einen kleinen Hüpfer. So was aber auch …
Merten starrte auf sein Handy.
Das konnte doch nicht wahr sein. Sie hatte angerufen. Er hatte zurückgerufen. Sie waren verabredet. Um kurz nach acht, direkt nach Feierabend.
Er hatte fast den ganzen Vormittag geschlafen. Auf seiner Mailbox waren vier Nachrichten von Svenja gewesen. Und natürlich zwei von Svenjas Mutter.
Keine davon klang so, als könnte er einfach auftauchen und die Dinge wieder ins Lot bringen. Er war, ehrlich gesagt, noch nie gut darin gewesen, Dinge ins Lot zu bringen. Andererseits wusste er verdammt noch mal überhaupt nicht, was denn bitte aus dem Lot sein sollte zwischen ihm und Svenja. Er hatte sein Handy nicht in der Tasche gehabt, es war ein traumatischer Tag gewesen, er hatte wie in Trance und völlig übermüdet gearbeitet. Und?
Zwei Kollegen waren gestorben.
Bernie war tot.
Kim.
Kim war tot und hinterließ in Mertens Leben diesen einen Moment, in dem alles hätte anders werden sollen. Und die Nacht, die er durchgeweint hatte, weil ihm klar wurde, dass er dafür nicht den Mut hatte. Und der Schuss in Kims wunderschönen Hals hatte das unumkehrbar gemacht. Nichts davon würde je wieder zurückkommen. Für immer. Für immer. Für immer.
Und Svenja drehte durch, weil er sein Handy nicht dabeihatte . Sie hätte in der Dienststelle anrufen können. Sie hätte wissen müssen, dass schon längst jemand bei ihr gewesen wäre, wenn ihm etwas passiert wäre. Das
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