Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
Täter. Und wir haben gewisse Wahrscheinlichkeiten, was für Waffen es sein könnten. Ihr habt bewiesen, dass beide aus einem Auto heraus erschossen worden sind. Bernie vom Fahrer, Kim vom Beifahrer. Es ist eindeutig.«
Drossels Kopf nickte resigniert, und er streifte Grewes Hand von der Schulter, hielt sie noch einen Augenblick.
»Ja.«
Gerd Drossel ging. Und ließ zurück: alles, was er nicht wusste.
Es war ein Büro wie Millionen andere. In einem Gebäude, wie es nicht viele im Land gab. Riesig, flach, effektiv. Von hohen Mauern umgeben, gesichert mit Stacheldraht.
In dem Büro saß ein Mann. Er passte in dieses gesichtslose Büro; wenn man ihn auf der Straße sehen würde, würde man ihn gleich wieder vergessen. Das war wichtig in seinem Beruf. Gesichtslos sein.
Es klopfte an seine Tür.
»Ja.«
Fast lautlos schwang die Tür auf, ein weiterer unauffälliger Mann, deutlich jünger, betrat das Büro, schloss die Tür, setzte sich.
Der erste sah den zweiten fragend an.
»Wir hatten Kontakt. Sie sind in der Stadt.«
Der erste nickte. Erleichtert.
»Gut.«
Doch er sah etwas in den Augen des anderen. Er hob sein Kinn, die Augenbrauen.
»Sie … es ist etwas passiert.« Der andere wusste, dass es keinen Sinn hatte, es hinauszuzögern, aber etwas in ihm wollte es doch.
»Was denn?«
»Sie haben gestern früh zwei Polizisten erschossen. Verkehrskontrolle. Panik. Dachten wohl, es hätte mit dem Überfall zu tun.«
Der erste schloss kurz die Augen, stieß Luft aus. Dachte einen Moment nach.
»Hat man sie erwischt?«
Der zweite schüttelte den Kopf.
»Sie sind sicher.«
Der erste bekam das kurze Flackern seines Blicks schnell unter Kontrolle.
»Ist unser Team in der Nähe?«
»Ja.«
Der erste nickte. Mehrmals.
»Sollen sich absolut ruhig verhalten. Wir müssen abwarten.«
7
S ie hatte dem Neandertaler eine Nachricht hinterlassen, dass sie erst später wieder im Hotel sein würde. Er solle ohne sie essen.
Wahrscheinlich hatte er eh irgendeine Tussi im Fitnesscenter aufgerissen. Guck mal meinen harten Body. Guck mal, mein süßes böses Gesicht. Soll ich dir mal von meiner Arbeit erzählen, Babe? Nein, so blöd war er nicht. Er redete mit niemandem außerhalb über das, was er tat. Darüber würde keiner von ihnen je mit einem Fremden reden. Viele Familien wussten es noch nicht mal so richtig.
Sie hatte sich geduscht, geschminkt, sogar eine Kombi von Klamotten gefunden, die als »für dich schick gemacht« durchging. Dunkle, sehr enge Jeans, halbhohe Retro-Achtziger-Stiefel, Hose in die Stiefel gesteckt, ärmellose Bluse im Westernstil, darunter ein tief ausgeschnittenes weißes Top. Jeansjacke, fertig.
Sie sah immer wieder in Schaufenster auf dem Weg, checkte ihre Frisur, perfekt verwuschelt, ihre Figur war sowieso ein Kracher, kein Wunder bei ihrem üblichen Trainingspensum. Ihre großen Lippen dunkelrot, schwarzer Kajal.
Sie war genau die Sorte gefährlicher Braut, auf die die süßen Jungs immer total standen, aber die sie nie ansprachen. Der würde sein Glück nicht fassen können, ihr so nahe zu sein.
Und das machte sie an.
Kontrolle.
Dass sie den Neandertaler kontrollierte und der es noch nicht mal merkte, versüßte ihr jeden Arbeitstag mit ihm.
Dass sie den kleinen Bullen eigentlich süß fand und sich einiges mit ihm vorstellen konnte, das sie auch genießen würde – aber nie vergessen, dass sie ihn benutzte.
»Bad girl«, summte sie vor sich hin, »always on the run … looking for riot, ’cause riot is fun.«
Harte Songs schreiben und auf der Bühne stehen, davon hatte sie immer geträumt. Es war sehr anders gekommen.
Aber ehrlich gesagt, war es so viel geiler. Es war echt. Sie hatte keine Bad-Girl-Attitüde für eine Bühnenshow, sie war ein Bad Girl. Sie konnte einen Typen innerhalb von zwei Minuten zu Matsch prügeln. Sie hatte gelernt, so schnell und so gnadenlos zu kämpfen, dass die meisten Kerle noch überrascht gucken würden, wenn sie ihnen schon ihre Nase und mindestens drei Rippen gebrochen hätte. Sie konnte schnell laufen und lange. Keiner würde sie je kriegen.
Und wenn doch, dann würde er sich sehr schnell wünschen, er wäre langsamer gelaufen.
Karten. Fotos. Luftaufnahmen. Flipcharts. Diagramme.
Sie hatten innerhalb von nicht mal zwei Tagen Tonnen von Material zusammengetragen. Doch sie konnten im Grunde nichts herauslesen, als dass die Täter verschwunden waren.
Sie konnten von der Autobahn gekommen sein, aber auch aus dem benachbarten Landkreis. Sie
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