Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
aus Israel, sehr effektiv, und Mixed Martial Arts. Er machte sogar Yoga, zur allgemeinen Kräftigung und zur Erhaltung der Beweglichkeit, er war schließlich schon über fünfzig. Kendo war als Technik nicht relevant für seine Arbeit. Aber er brauchte es zur Reinigung. Er tat es nicht für seinen Job, er tat es für sich.
Beim Training musste man nicht sprechen, alles war ritualisiert, nur der Sensei sprach, leitete das Training. Ansonsten konnte man vollkommen schweigend durch einen Abend kommen, wenn man wollte.
Er zog die Laufsachen aus, öffnete den runden Sack, entnahm als Erstes das Fundoshi, den traditionellen japanischen Lendenschurz.
Sein Körper zog Blicke an, bei den ersten Malen. Er war schmal, aber mit gemeißelten Muskeln. Sehnen, Haut, Fleisch. Kein Fett. Er hatte Narben. Von Stichen, von Schüssen, von Schrapnellen. Seine Unterschenkel waren beide schon gebrochen gewesen. Ein Unfall beim Fallschirmspringen, das andere Mal wollte man ihn zum Reden bringen.
Ein Arzt, der hier trainierte, hatte mal versucht, ihn über die Narben auszufragen, er konnte sich natürlich präziser deren Ursachen erklären als andere.
Er hatte ihm erzählt, er sei in der Fremdenlegion gewesen als junger Mann, aber spreche nicht gerne darüber. Und dazu ein bisschen traumatisiert aus der Wäsche geschaut. Das hatte gereicht. Und es war noch nicht mal wirklich gelogen. Nur traumatisiert hatte ihn die Zeit in der Legion überhaupt nicht. Es war erstens bloß ein mehrwöchiger Lehrgang in Guyana gewesen, und zweitens hatte er sich ein Jahr lang darum bemüht, diesen Lehrgang besuchen zu dürfen. In diesem Leben, in dem er noch um Erlaubnis gefragt hatte, obwohl er schon längst ein Killer geworden war.
Das Ritual des Fundoshi-Bindens mochte er. Es war ein guter Übergang, zuerst ganz nackt zu sein. Dann legte er sich ein Ende des langen Tuchs über die Schulter und begann, es um seine Scham und seine Hüften zu binden. Er verdrehte Enden, schlang sie umeinander und ineinander. Währenddessen begann er, in die Gestalt des Kendoka zu schlüpfen.
Fundoshi trug so gut wie niemand in Europa. Er fand eine westliche Unterhose unpassend beim Kendo, außerdem blieb damit immer ein äußeres Zeichen des Lebens außerhalb des Dojos am Körper und behinderte die Transformation. Nach dem Fundoshi folgte der Keiko-Gi, die schwere blaue Jacke, dann der Hakama, die gefältelte, sehr weite schwarze Reiterhose.
Er spürte, dass es ihm heute nicht so leichtfiel, das Draußen abzustreifen. Er dachte immer wieder an das Telefonat. Und was der Tod der beiden Polizisten für die Operation bedeuten würde.
Natürlich war es vollkommen überflüssig gewesen, eine Panikreaktion. Wenn man relativ neu war in dieser Welt, die er schon so lange bewohnte, dann konnte so etwas passieren. Er hatte ihr keinen Vorwurf gemacht. Dafür gab es keinen Grund, denn es war die Panik des Jungen gewesen, die dazu geführt hatte. Sie war gut, aber noch nicht Führerin genug, den Jungen einfach in die Schranken zu weisen. Und sie war in Zweifel geraten. Aber die Ausführung, so wie sie sie geschildert hatte, war in Ordnung gewesen. Schnell, konsequent und sehr wahrscheinlich ohne Zeugen.
Auf den Jungen musste er ein Auge haben. Er war in vieler Hinsicht fähig und seine Emotionalität manchmal sogar eine Stärke; sie ließ ihn glauben. Aber auf lange Sicht brachten Kälte, Unbeeindruckbarkeit, Logik einen in dieser Arbeit weiter.
Er war jetzt fertig angezogen, nahm den Sack mit der Rüstung und die Tasche mit den Shinais, betrat das Dojo. Zum Vormittagstraining kamen nur sehr wenige Kendoka, ein Grund, warum er es bevorzugte.
Er verbeugte sich, legte seine Sachen ab. Dann nahm er ein Shinai, begab sich in einen Winkel des Dojo und begann mit den Suburi. Dreißig Jogeburi, ganz gerade, nicht zu schnell, er achtete sehr auf die Ausführung. Danach fünfzig Nanameburi, flüssiger, lockerer.
Dann ging er wieder ins Chodano-Kamae, atmete, die Spitze des Shinai auf den imaginären Gegner gerichtet.
Er fasste den Entschluss und führte unmittelbar das Bambusschwert in perfekt gerader Linie über den Kopf, brachte seinen Körper mit einem fließenden, gleitenden Okuri-ashi nach vorn. Diese Bewegung nahm das Shinai mit, und der Schlag auf das Men, den Kopf, sollte ohne bewusste Kraftanstrengung, nur durch das Fließen der harmonischen Bewegung seine tödliche Energie erhalten. Und der Atem stieß unmittelbar vor dem Treffer, aber noch in seine Energie hinein, »Men«
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