Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
meldete sich die Frau wieder.
»Da ist direkt ein kleiner Waldparkplatz mit so einem Jesusdings. Ich lege jetzt auf.«
Waldparkplatz? An der L 343? Da standen sie gerne bei Verkehrskontrollen. Heute liefen Kontrollen. O Gott.
»Einen Moment, Sie …« Weg.
Zingerle war kotzübel, aber jetzt griff die Routine. Wie ein Roboter wählte er die Nummer.
»Hier Rettungsleitstelle.«
»Polizeidirektion, Zingerle. Wir haben laut Anrufer zwei schwerstverletzte Kollegen nach Schusswechsel. Ich brauche sofort einen NAW und vermutlich auch RTH an folgendem Ort …« Er lieferte aus dem Gedächtnis die Ortsdaten, und danach rief er die Bereitschaft an. Sein nächster Anruf ging zum Kriminaldauerdienst.
Dann übergab er sich neben seinen Stuhl.
Grewe und Kertsch sprachen über Tony Estanza, den jüngsten Beamten in Grewes Kommissariat 11. Er war vor eineinhalb Wochen im Auswahlverfahren für das Mobile Einsatzkommando gescheitert.
»Ich verstehe seine Motivation«, sagte Grewe, »und ich halte ihn für geeignet. Außerdem denke ich, dass er im Augenblick tatsächlich noch nicht die innere Ruhe für unser doch recht mühseliges Geschäft hat. Ein paar Jahre MEK könnten ihm guttun. Ihn auslasten und festigen.«
Es tat gut, über Tony zu reden, denn er war das kleinste aller Personalprobleme in der Kriminalpolizeiinspektion.
Kertsch nickte.
»Das sehe ich genauso. Woran genau ist er denn gescheitert?«
»Letzten Endes beim Belastungsschießen. Wobei es allerdings mehr um nervliches Versagen als mangelnde körperliche Fitness ging. Er hat sonst immer herausragende Schießleistungen und ist körperlich topfit.«
»Ich finde, Sie sollten sich die Zeit nehmen, Herrn Estanza bei der Vorbereitung auf das nächste Auswahlverfahren zu unterstützen. Sie sind doch prädestiniert dafür.«
»Na ja … Genau genommen bin ich ja ein Musterbeispiel für das Scheitern in Spezialverbänden.« Grewes Bundeswehrzeit hatte vor über zwanzig Jahren mit dem Rauswurf aus der damals neuen Kommandoausbildung traumatisch geendet.
»Nein, so würde ich das absolut nicht sehen. Sie haben da Erfahrungen gemacht und durch ihr ganzes Berufsleben vertieft, die Sie pädagogisch in hohem Maße befähigen, Estanza ein wenig auf die Sprünge zu helfen.«
Grewe wollte gerade etwas entgegnen, da wurde die Tür des Büros ohne vorheriges Klopfen aufgerissen. Didi Noss, der schwergewichtige Leiter des KDD stand käseweiß in der Tür.
»Sorry, Herr Kertsch. Wir haben da eine Riesenscheiße.«
3
E s war ein Albtraum.
Die Leiche von Bernie Glaubke lag verdreht auf der Straße. Kim Mauerbach war nur noch als weißer Umriss der Tatortbereitschaft anwesend. Die riesige Blutlache um sie herum hatte sich mit den letzten Regentropfen in Schlieren aufgelöst. Sie selbst rang in der Klinik um ihr Leben. Es sah nicht gut für sie aus, das wussten alle.
Kims Dienstwaffe steckte schon in einer beschrifteten Tüte. Sie war abgefeuert worden, so viel war klar. Bernies Waffe war bisher nicht aufgefunden worden. Die Ringfahndung lief. Die Kreisstraße hatten sie auf voller Länge gesperrt, die Einsatzhundertschaft durchstreifte den Wald beidseitig der Straße. Die Beamten vom Dauerdienst unterstützten die Tatortbereitschaft beim Sicherungsangriff. Die Bundespolizei hatte ebenfalls eine Hundertschaft auf den Weg geschickt. Ein Hubschrauber mit hochauflösender Kamera war im Luftraum. Alle verfügbaren Einsatzkräfte kontrollierten, beobachteten, registrierten. Einziger Anhaltspunkt: Ein grüner Skoda-Kombi wurde gesucht. Niemand wusste, wie viele Personen darin saßen, niemand wusste, ob es das Fahrzeug der Täter war. Ob sie überhaupt in einem Fahrzeug gesessen hatten. Wobei Letzteres nach erster Einschätzung von Gerd Drossel höchstwahrscheinlich war.
»Die Lage von Bernie und Kim lässt den Schluss zu, dass Bernie ein Fahrzeug kontrollieren wollte und Kim als Sicherung vom Fahrzeug aus gesehen schräg vorne rechts gestanden ist. Schulmäßig.« Drossel schüttelte den Kopf. »So ein Dreck. So eine verfluchte Scheiße.«
Drossel, Kertsch und Grewe standen neben dem Einsatzfahrzeug der beiden Kollegen, in ausreichendem Abstand zu den Arbeiten. Um Kims Umriss herum lagen aufgerissene Verpackungen von Verbänden, Nadeln und Schläuchen. Es fanden sich noch vereinzelt blutige Schuh- und Knieabdrücke von Notarzt und Rettungsassistent. Ebensolche Spuren zeichneten den Weg der Helfer mit der Trage zum Notarztwagen, der wiederum nur knapp vierhundert Meter gefahren
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