Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
Sie schliefen dauernd zusammen im selben Zimmer, meistens im selben Bett, schon allein, um unauffällig zu bleiben. Ein junger Mann und eine junge Frau am Check-in, da stutzt jeder Portier, wenn die zwei Einzelzimmer nehmen.
Und hin und wieder hatten sie auch Sex. Zum Druckabbau. Weil sie für niemand anderen Zeit hatten. Weil sie fand, es wäre einfacher, wenn er sie dann und wann haben konnte. Und weil es ihr Spaß machte. Professionell.
»Geht’s wieder?«
Er schloss die Augen.
»War das richtig?« Ganz leise fragte er, kaum zu verstehen.
Sie holte Luft, hielt sie einen Augenblick, dimmte ihren Puls.
»Was hättest du denn machen wollen?« Gut, sie sagte das ganz ruhig.
Er setzte zu einer Antwort an, presste die Lippen zusammen, versuchte es wieder. Schüttelte den Kopf.
»Nein. Vergiss es.« Trotzig. Verstockt. Immer dasselbe.
Sie wäre am liebsten einfach ausgestiegen und gegangen. Aber er würde entweder sitzen bleiben und so womöglich Aufmerksamkeit erregen oder ihr nachlaufen und irgendwas rufen. Da hatte die ganze Ausbildung nichts genützt, er war ein Junge geblieben. Empfindlich und leicht zu kränken. Deswegen wollten die Kerle auch nicht, dass Frauen immer mehr von den Dingen taten, die eigentlich ihre Sache waren. Aber sie hatten sie nur zu Männersachen erklärt, in Wirklichkeit waren sie nicht besser darin. Zumindest nicht wegen dem Chromosomending oder dem, was sich zwischen ihren Beinen befand. Ihrem Gehirn. Sie gluckste.
Fehler.
»Wüsste nicht, was daran komisch ist«, zischte er.
Sie legte ihm sofort beruhigend die Hand aufs Knie.
»Sorry. Übersprungsreaktion.« Das mochten sie, wenn die Frauen sich nicht im Griff hatten. Lustig. Oder traurig.
Egal.
Er nickte. »Okay.«
Immer noch beleidigt. Sie schaltete auf weich um.
»Es war eine absolut beschissene Situation. Aber wir haben klare Handlungsanweisungen auch für so etwas. Und wir haben uns daran gehalten.« Sie schaute ihn fest an. Er versuchte, weiter nach vorne raus an die Parkhauswand zu starren, aber er musste den Kopf doch zu ihr drehen. Shit, er war so weich. Wie hatte er die Auswahl überstanden?
Nein, das war unfair. Er war nicht ohne Grund hier. Er war härter als die meisten, aber er war einfach weicher als sie. Oder weniger abgefuckt? War es das?
Sie strich ihm über die Wange.
»Komm jetzt. Wir brauchen ein Hotel. Ich rufe von dort aus an, dann kannst du schon mal schön heiß duschen.«
Er sah wieder zur Wand.
»Wir könnten beide duschen.« Sie gab ihrer Stimme ein dezentes Zittern mit.
Er schnaubte.
Auch gut. Sie hatte eh keine Lust, aus Mitleid mit ihm zu vögeln. Wenn die Typen auch vieles nicht checkten, das merkten sie dann doch meistens. Und dann war die Stimmung komplett im Eimer.
Sie öffnete die Wagentür und stieg aus. Er tat dasselbe.
Schweigend holten sie die Taschen aus dem Kofferraum, schlossen den Wagen mit der Fernbedienung, und kurz danach waren sie im Gewühl der Fußgängerzone verschwunden.
Merten Zingerle war nicht zu Hause. Obwohl seine Schicht in der Leitstelle schon längst vorbei war, war er in der Direktion geblieben. Hatte seine Kotze weggewischt und seinen geschockten Nachfolger eingewiesen. Dann war ein Sturm über die kleine Leitstelle hereingebrochen. Hundertschaften hatten sich in Bewegung gesetzt, Helis waren aufgestiegen. Ständig riefen Kollegen an, die eigentlich frei hatten und fragten, ob sie etwas tun könnten, ob sie irgendwo gebraucht würden. Sie hatten größte Mühe, alles zu koordinieren, nichts zu vergessen. An ihren Tischen wurde nichts entschieden, sie nahmen Nachrichten auf und gaben sie weiter, aber meist konnten sich die Einheiten überhaupt nicht direkt austauschen, sie mussten alles über die Leitstelle schicken. Wenn hier eine Information unterging, dann war sie vielleicht unrettbar verloren oder kam viel zu spät zu ihrem Empfänger.
Es war grauenvoll, das Schlimmste war geschehen, das Unfassbare. Zwei Kollegen waren tot. Erschossen. Sie hatten beide im Regen auf der Landstraße gelegen, wie überfahrene Tiere. Und praktisch die ganze Direktion war jetzt draußen auf der Jagd nach den Schweinen, die das angerichtet hatten. Am Anfang war Merten fast irre geworden, weil er unbedingt dabei sein wollte, aber irgendwann war ihm klar geworden, dass ohne die Leitstelle da draußen nur Chaos herrschen würde.
Zum ersten Mal, seit Merten hier arbeitete, war er eins mit dem Job.
Bernie und Kim konnte er nicht mehr zurückbringen, keiner konnte das. Aber
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