Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
nicht kontrolliert werden, um keinen Preis. Und wenn so etwas dann auch noch in Zusammenhang mit einem Geheimdienst gesehen werden kann oder muss – ich weiß nicht, wie es euch allen geht, aber mich macht das hochgradig nervös und sauer.«
Solche Töne hörte man von Grewe nicht oft. Es war jetzt mucksmäuschenstill. Perfekt für den Auftritt des reitenden Boten.
Gerd Drossel betrat ohne anzuklopfen den Raum, einen Ausdruck in der Hand. Er stand unter Hochspannung.
»Gerd, was gibt es?«
Drossel hob das Blatt in die Höhe.
»Ich habe mich mit den Banküberfällen der letzten Monate befasst, geschaut, ob es Gemeinsamkeiten mit dem gibt, was wir bisher über unseren Überfall wissen. Tja … Es gab am Montagnachmittag einen Überfall in Passau. Volksbankfiliale, zwei Täter, einer davon vermutlich eine Frau.« Raunen. »Da kam es allerdings zu einem Handgemenge, ein Kollege außer Dienst versuchte, eine gehbehinderte Frau zu schützen. Ein Schuss ist gefallen, und die Täter mussten mit geringer Beute fliehen, knapp viertausend Euro. Interessant für uns ist daran mehrerlei. Erstens ist das Kaliber der Waffe dort 7.62 mm und somit identisch mit dem Kaliber der Waffe, aus der auf Bernie geschossen wurde, was ja erst mal nicht allzu viel sagt. Aber nach erster Einschätzung haben wir auch bei der Munition, die bei unserem Überfall in der Decke gelandet ist, dasselbe Kaliber. Der Kollege aus Passau schwört Stein und Bein, dass es eine Tokarew war. Die ist bei halbwegs professionellen Tätern ziemlich beliebt, weil man bei der ohne Probleme den Lauf wechseln kann. Dadurch ändert sich das Beschussbild, und die Waffe kann durch uns nicht mehr eindeutig zugeordnet werden. Und sie ist vergleichsweise einfach und kostengünstig auch illegal zu besorgen.« Drossels Stimme war bei den letzten Worten nach oben gerutscht, er hatte etwas im Hals und musste sich erst mal freihusten.
»Uff. Ich habe einfach mal eine mögliche Fahrtroute von Passau hierher überprüft. Wenn man nicht über die direkte Abfahrt Stadtmitte zu uns reinwill, sondern über die Landstraße schleichen, dann böte sich, aus Passau kommend, genau der Weg an, der an Kim und Bernies Kontrollpunkt vorbeiführt.« Jetzt wurde die Atmosphäre im Raum schneidend.
»Das ist aber noch nicht alles. Es finden sich in den vergangenen sechs Monaten noch vier weitere Banküberfälle, die in einem oder mehreren Punkten Gemeinsamkeiten mit diesen beiden aufweisen. Vor allem die Vermutung, einer der beiden Täter könnte eine Frau sein, taucht zumindest in einzelnen Zeugenaussagen zu jedem der Überfälle auf. Auch der Passauer Kollege war dieser Meinung.«
Grewe sah Drossel an.
»Noch mehr, Gerd?«
»Nein.«
»Nicht dass es nicht ausreichte.« Grewe schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich versuche mal zusammenzufassen. Also. Täter, die frisch von einem missglückten Überfall kommen, hochnervös. Sie haben eine mehrstündige Autofahrt hinter sich und vorher eine Flucht in der Innenstadt von Passau. Dann Polizeikontrolle, Nerven verloren. Sie haben Waffen, vielleicht auch noch Beute aus den anderen Überfällen oder sonst etwas Belastendes im Wagen. Das klingt richtig, oder?« Er wartete nicht auf Bestätigung. »Dann rauscht unmittelbar nach der Tat eine Dame vom Verfassungsschutz an den Tatort. Ruft uns an, leistet keine Hilfe und haut auch sofort wieder ab. Wir wissen, dass mindestens noch eine Person bei ihr war. Wenn man den Blick darauf verengt, müsste man sagen, die Bankräuber wurden vom Verfassungsschutz verfolgt. Was wiederum absolut absurd klingt, weil Bankräuber ja nun mal klar unser Job sind.«
Schweigen. Dann meldete sich Noss.
»Didi?«
»Es sei denn, die Überfälle sind zur Finanzierung von irgendwelchen Sauereien da, die den Geheimdienst interessieren. Wär ja auch nicht das erste Mal.«
»Exakt. Ich habe vorhin schon mit Fritz Burckhardt gesprochen, der leider nicht herkommen konnte, seine Frau ist krank. Nein, nichts Schlimmes, aber er musste einfach heim. Ihm ist derzeit hier bei uns nichts bekannt im Bereich Organisierte Kriminalität oder Extremismus, was den Verfassungsschutz interessieren könnte. Nichts brodelt. Alles wie gehabt.«
Alle warteten auf ein Signal, eine Entscheidung.
»Wir können nur eines tun jetzt. Warten, bis wir die Frau geortet haben, und sie dann schnappen. Wenn das nicht gelingt, wenn sie nicht mehr hier ist, dann müssen wir auf offiziellem Weg und mit aller zu Gebote stehenden Vehemenz beim
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