Keine Zeit für Vampire
assistieren.«
»Verflucht, Nikola, ich will auf der Stelle wissen, wie du dich befreien konntest!« Rolf legte die Truthahnkeule aus der Hand und kam auf ihn zu. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt und Nikola registrierte schockiert, welch abgrundtiefe Bösartigkeit von ihm ausging.
Hastig hielt er nach einer sicheren Stelle Ausschau, wo er Io ablegen konnte, doch in diesem Moment begann sie, sich zu regen.
»Sie haben geläutet?«, fragte sie und sah ihn aus verschwommenen Augen an. Sie hob eine Hand und knuffte ihn in die Wange. »Nia?«
»Ja, Herzchen, ich bin es. Bleib hier sitzen, ich kümmere mich derweil um meinen Bruder.« Er setzte sie auf einen Stuhl und wandte sich nach Rolf um. Der hatte sich inzwischen mit einem langen Tranchiermesser bewaffnet und schritt damit auf ihn zu.
Plötzlich hörte Nikola hinter sich ein leises Rascheln. Er drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Io vom Stuhl rutschte und mit dem Gesicht zuerst auf dem Boden landete. Sie hob den Kopf und stöhnte benebelt: »Aua. Nikla?«
»Bleib, wo du bist, mein Liebes«, befahl er und wandte sich wieder seinem Bruder zu. »Ich bin sehr enttäuscht von dir, Rolf. Würde Mutter noch leben, ihr würde das Herz brechen.«
Rolf erstarrte, und seine boshafte Miene verwandelte sich in blanke Wut. »Wie kannst du es wagen, von ihr zu sprechen!«
In dem Moment erscholl auf der anderen Seite des Zimmers ein Schrei. David der Löwe hatte den lispelnden Mann angesprungen. Der Mann kroch auf dem Boden herum und flehte winselnd um Gnade.
»Töte ihn noch nicht«, rief Nikola David zu. »Er hat Io schockiert. Darum muss ich mich auch an ihm rächen.«
»Elektroschocker«, lallte Io. »Das war’s. Der schicke Typ hatte einen Taser. Dem werde ich mit dem Ding die Kniescheiben einschlagen.«
»Du hast ihr endlosen Schmerz bereitet«, brüllte Rolf und wedelte mit dem Messer. »Wärst du einfach wie vorgesehen gestorben, wäre sie schon damit fertig geworden. Aber nein, du musstest ja unbedingt den Dämonenlord dazu bringen, dass er dich unsterblich macht. Die Sorge um dich hat sie ins Grab gebracht.«
Nikola starrte seinen Bruder verdattert an und blendete dabei alles andere um sich herum aus – wie zum Beispiel ein ersticktes Fluchen und das anschließende Kratzen von Stuhlbeinen über den Boden, als würde jemand trotz Benommenheit versuchen, auf die Beine zu kommen. Tu dir nicht weh, Herzchen. Sobald ich mit Rolf fertig bin, kümmere ich mich um dich.
Mir geht es gut, antwortete sie ihm. In ihrem Kopf ging alles noch etwas durcheinander. Ich liebe dich, Nikola.
Irritiert sah er sich nach ihr um.
Oh. Hast du das etwa gehört?
Ja.
Mist. Könntest du vielleicht so tun, als hättest du es nicht gehört?
Nein.
Jetzt sah sie aufrichtig empört aus – einfach zum Anbeißen. Sie versuchte, sich aufzurappeln, und sah ihn finster an. Du könntest sehr wohl, du willst bloß nicht.
Darüber sprechen wir später, Io. Jetzt im Moment muss ich erst einmal herausfinden, was Rolf mit seiner Andeutung gemeint hat.
Was für eine Andeutung? Rolf ist hier? Sie schielte angestrengt an ihm vorbei. Oh, da ist er ja. Kann ich ihm jetzt die Kniescheibe zertrümmern?
Er schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich wieder Rolf zu. Es wäre nicht schicklich, tatenlos dabei zuzusehen, wie du Rache übst. Nein, es ist meine Aufgabe, ihm die Kniescheibe zu zertrümmern. Da ich allerdings von Natur aus großzügig bin, werde ich dir gestatten, ihn zu ohrfeigen.
Ich habe keine Ahnung, was Ohrfeigen sind. Ich glaube, ich will es auch gar nicht so genau wissen, denn das hört sich ziemlich eklig an. Du kannst jedenfalls jetzt aufhören, den großen Macker zu spielen, und mir getrost seine Kniescheiben überlassen – Nikola!
Io schrie in seinem Kopf im selben Augenblick auf, in dem Rolf sich mit erhobenem Messer auf ihn stürzte. Nikola, seit Langem ein begeisterter Leser esoterischer Schriften aus Fernost, trat zu und kickte Rolf das Messer aus der Hand.
Dieser brüllte auf, und der lispelnde Mann, der inzwischen unter dem massigen Leib des wütenden Löwen nicht mehr zu sehen war, tat es ihm gleich. »Du hast mir die Hand gebrochen! Mein eigener Bruder hat mir die Hand gebrochen!«
»Nein«, entgegnete Nikola ungerührt, hob das Messer auf und hielt es ihm unter die Nase. »Aber wenn du noch einmal versuchen solltest, Io oder mir Schaden zuzufügen, werde ich es sehr wohl tun. Wie kannst du von dem Dämonenlord und seinem Fluch
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