Keine Zeit für Vampire
verschlossen. Genauso wie die daneben und auch alle anderen auf dem Gang. Nikola begab sich zu der Tür neben seiner Zelle, zückte wieder den winzigen Schraubenzieher und begann, das Schloss zu bearbeiten. Es war etwas stärker verrostet als das an seiner Zellentür, doch nach einigen Minuten ließ die Tür sich öffnen.
Ein übler Geruch schlug ihm entgegen, es stank nach ungewaschenen Körpern und Blut. Angeekelt vom Gestank nach verrottendem Fleisch, verzog er die Nase. Im selben Augenblick bemerkte was auch immer sich in der Zelle befand, dass er an der Tür stand. Ein unmenschlicher Wutschrei erklang, und sofort darauf verriet ihm ein warmer Luftzug, dass sich dort im Inneren etwas sehr schnell bewegte. Nikola sah gerade noch zwei glühende, schwarze Augen und eine verfilzte Masse schwarzen Haares, ehe er schnell die Tür wieder zuschlug und hastig das Schloss einschnappen ließ. Etwas Großes schlug von innen gegen die Tür, gefolgt von einem weiteren Aufschrei. Schnell schraubte er die Blende wieder ans Schloss. Dabei gingen ihm die von Irrsinn gezeichneten Augen nicht aus dem Kopf.
»Wahrscheinlich haben sie Io genau wie mich gefangen gesetzt«, murmelte er, ging weiter zur nächsten Tür und bearbeitete auch hier das Schloss, bis er es öffnen konnte. Er öffnete die Tür nur einen schmalen Spaltbreit und schnüffelte. Die Luft, die ihm entgegenschlug, stank genauso widerwärtig, und er schlug die Tür schnell wieder zu, bevor der Bewohner der Zelle überhaupt seine Anwesenheit bemerken konnte.
Drei weitere Male erging es ihm ähnlich, bevor er schließlich eine Zelle öffnete, aus der es nicht animalisch nach verwilderten Menschen stank.
Er zog die Tür ein wenig weiter auf und spähte vorsichtig hinein, doch alles, was er roch, war ein wenig Moder. In einer Ecke lag eine zusammengerollte Gestalt. Es war jedoch kein Mensch, sondern ein großer, zimtfarbener Löwe. Er erhob sich langsam und musterte Nikola argwöhnisch.
»Du heißt nicht zufällig David?«, fragte er.
Der Löwe blinzelte ihn einige Sekunden lang an, bevor plötzlich ein Schaudern und Wogen durch seinen Körper ging und die Löwengestalt sich in einen nackten Menschen verwandelte. »Eigentlich heiße ich Daffyd, aber alle nennen mich David. Gehörst du zu de Marcos Leuten?«
»Besitzt du etwas zum Anziehen? Mich stört deine Nacktheit nicht, doch es wäre mir nicht recht, Io damit zu konfrontieren.«
»Ähm …« Der Mann ging zu einem Kleiderhaufen, der in einer Ecke lag. »Io?«
»Ja. Sie ist mein Weib. Sie ist ausgesprochen empfindlich, und es würde ihr sicher nicht gefallen, dich ohne Kleidung anzutreffen. Zumindest in deiner menschlichen Form. Als Löwe würdest du ihr sicher gefallen. Zwar hat sie behauptet, dass es ihr großes Vergnügen bereitet, mich ohne Kleidung zu sehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr dieser Zustand bei einem anderen genauso viel Behagen bereiten würde. Du bist wohl ein Therion. Mein Sohn hat mir von dir berichtet. Er hat allerdings nichts davon gesagt, dass ich dich ohne Kleidung antreffen würde. Ah, das ist besser. Weißt du, wo Io ist?«
David verneinte. Er hatte einen leicht walisischen Akzent.
Nikola betrachtete den Mann, den sich sein Sohn zum Blutsbruder erwählt hatte. Es irritierte ihn noch immer, dass Benedikt und Imogen, seine geliebten Kinder, ihn für fähig gehalten hatten, die Verbindung zu ihnen vollständig abzubrechen. Instinktiv spürte er, dass Benedikt dabei aus irgendeinem Grund unter dem Verlust seines Vaters mehr gelitten hatte als Imogen. Er wollte nur zu gern herausfinden, was für ein Mann aus seinem Sohn geworden war, und logischerweise würden ihm die Personen, mit denen sich Benedikt umgeben hatte, darüber einiges verraten können.
Doch das konnte warten, bis er Io gefunden und sich vergewissert hatte, dass ihr nichts zugestoßen war. »Ich muss sie finden. Wenn du willst, darfst du mich begleiten. Ich weiß, dass mein Sohn sich wünscht, dass du befreit wirst, aber Ios Sicherheit steht an erster Stelle.«
»Ja. Wenn sie dein Weib ist, muss das wohl so sein«, entgegnete David, und seine Augen funkelten amüsiert. »Ich werde dich begleiten. Allerdings habe ich noch nicht so ganz begriffen, wer du bist.«
»Ich bin Nikola Czerny.« Dann wandte er sich auf dem Absatz um, schritt aus der Zelle und begab sich zu den übrigen drei Türen.
»Czerny? Bist du mit Benedikt verwandt?«
»Er ist mein Sohn.« In der nächsten Zelle stank es schlimmer als auf
Weitere Kostenlose Bücher