Keine Zeit für Vampire
weitaus schneller zum Ziel gelangt war als er mit seinen … Diese jähe Einsicht warf ihn völlig aus der Bahn und nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.
»Ja, Rolf hat recht. Einige Personen hier sind nicht vertrauenswürdig – Personen, die dir sehr nahestehen«, erläuterte Arnulf.
Und was, wenn er sich noch einmal von Io verführen ließe? Das wäre doch die Lösung all ihrer Probleme, denn dann könnte sie die Führung übernehmen – Frauen mochten das Gefühl, eine Situation unter Kontrolle zu haben, ganz besonders, wenn es um Liebesspiele ging –, und zudem würden sich damit ihre Bedenken erledigen, dass sie ihn erst einmal für einen unbestimmt langen Zeitabschnitt kennen müsste, ehe sie sich in körperlicher Intimität verbinden könnten.
»Wir müssen uns irgendwo außerhalb der Burg unterhalten, wo uns niemand belauschen kann.« Rolf beugte sich vertraulich zu ihm. Unbewusst wich Nikola vor ihm zurück. »Damit wir dir alles berichten können, was wir wissen.«
Verbinden. Das Wort hallte in seinem Kopf wider. War das möglicherweise der Grund, weshalb Io sich nicht auf sein Liebeswerben einließ? Suchte sie eine feste Bindung? Sparte sie sich für die Ehe auf?
»Wie wäre es mit dem Wald, wo wir vor einigen Wintern den Hirsch entdeckt haben?«, schlug Arnulf vor. »Der, der zwischen der Burg und der Stadt liegt?«
Nein, ausgeschlossen. Sie hatte ja bereits gestanden, in der Vergangenheit mehrere Liebhaber gehabt zu haben – wieder eine unangenehme Einsicht, über die er einige Minuten lang dumpf brütete –, was bedeutete, dass sie schon vor längerer Zeit ihre Unschuld verloren hatte.
»Ja, das wäre ein geeigneter Platz«, pflichtete Rolf seinem Bruder bei. »Ein großartiger Vorschlag, Arnulf. Weißt du, wo das ist, Bruder?«
Aber vielleicht war sie doch auf einen Ehemann aus. So waren die Frauen. Erwartete sie von ihm, dass er ihr einen Antrag machte? Er hatte inzwischen einige Zeit mit Io verbracht, und persönlich hätte er nichts dagegen gehabt, die nächsten fünfzig Jahre mit ihr an seiner Seite zu verbringen. Allerdings hatte er schon einmal eine Frau zu Grabe getragen, und er war sich nicht sicher, ob er es noch einmal ertragen könnte, mitanzusehen, wie die Frau, die er liebte, starb.
»Nikola, du weißt doch, welchen Wald wir meinen, oder? Soweit ich mich erinnere, befindet sich in der Mitte eine Lichtung. Dort könnten wir uns treffen, und dann verraten wir dir die Wahrheit über die Personen, die dir so nahestehen. Wie heißt dieses Wäldchen doch gleich noch mal? Sauberwald? Saustonwald?«
»Zauberwald«, berichtigte Nikola, ohne groß darüber nachzudenken, denn sein ganzer Verstand wurde von dem Rätsel um Io vereinnahmt. Sobald ihm das Wort jedoch über die Lippen gekommen war, konzentrierte er sich darauf. Er kannte diesen Ort sogar sehr gut, denn dort war er vor etwa dreißig Jahren mit einem Dämonenlord zusammengetroffen, dessen Fluch er seinen heutigen Zustand verdankte.
»Ja, genau. Zauberwald.« Arnulf grinste. »Ich habe bis heute nicht verstanden, was daran so zauberhaft sein soll.«
Nikola sah die beiden Männer fragend an. »Was ist mit diesem Wald?«
»Lieber Bruder, er ist der ideale Ort für unsere Zusammenkunft. Dieses Treffen wird dir leider die Augen über die wahre Natur gewisser Personen, die dir äußerst nahestehen, öffnen.«
»Wovon zum Teufel redest du denn jetzt schon wieder?«, erkundigte er sich mürrisch.
Rolf legte einen Finger über die Lippen und fixierte über Nikolas Schulter hinweg den Lakaien, der soeben den Raum betreten hatte. »Heute Nacht. Um Mitternacht? Auf der Lichtung in der Mitte des Zauberwalds. Dann wird dir alles klar werden.«
Er wollte schon ablehnen, denn insgeheim hoffte er, dass Io um diese Zeit gerade dabei wäre, ihre Verführungskünste auf ihn anzuwenden, jedoch bestand auch eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass sie bis dahin noch nicht verstanden hatte, dass er ab sofort nicht mehr um sie buhlte.
»Wie ihr wünscht.« Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zu seinem Arbeitszimmer davon. »Ich muss mich jetzt um meine Geschäfte kümmern. Zweifelsohne könnt ihr euch auch ohne mich amüsieren.«
»Da mach dir mal keine Sorgen«, rief ihm Arnulf hinterher. Dabei klang ein gewisser Unterton in der Stimme seines jüngeren Bruders mit, doch nun war der falsche Zeitpunkt, sich um derartige Banalitäten Gedanken zu machen, rief er sich ins Gedächtnis, während seine Schritte durch den Korridor
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