Keine zweite Chance
Ihr Ehemann hatte eine Krankheit. Die Spielsucht. Stimmt doch, oder? Sie haben dadurch alles verloren, ja? Die Versicherungsagentur. Ihr Vater hatte sie aufgebaut, und Jimmy hat sie von ihm übernommen. Weg ist sie. Einfach verschwunden. Die Bank wollte schon die Hypothek für Ihr Haus kündigen. Sie und die Kinder hatten kaum genug Geld für Lebensmittel.
Und trotzdem hat Jimmy nicht aufgehört.« Lydia schüttelte den Kopf. »Männer, was?«
Tränen standen in Wendys Augen. Als sie wieder sprechen konnte, sagte sie kaum hörbar: »Dann haben Sie ihn umgebracht?«
Langsam den Kopf schüttelnd sah Lydia auf. »Ich bin wirklich nicht gut im Erklären, oder?« Sie senkte den Blick und versuchte es noch einmal. »Haben Sie je die Redewendung gehört einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen? «
Wieder wartete Lydia auf eine Antwort. Wendy nickte. Lydia schien das zu freuen.
»Ja, und genauso war es hier. Bei Jimmy, meine ich. Ich hätte ihn von Heshy in die Mangel nehmen lassen können — Heshy kann so was wirklich gut –, aber was hätte das genützt? Jimmy hatte das Geld nicht. Der würde nie so viel Geld in die Finger kriegen.« Lydia richtete sich etwas auf und streckte die Hände aus. »Und jetzt, Wendy, möchte ich, dass Sie denken wie ein Geschäftsmann — Verzeihung, wie eine Geschäfts person natürlich. Man muss ja nicht gleich zu einer wild gewordenen Feministin werden, aber auf eine gewisse Neutralität sollten wir in solchen Dingen schon achten.«
Lydia lächelte Wendy an. Wendy duckte sich.
»Okay, was also kann ich — als kluge Geschäfts person — in einer solchen Situation tun? Selbstverständlich kann ich die Schuld nicht unbeglichen lassen. Das wäre in meiner Branche beruflicher Selbstmord. Wenn jemand meinem Auftraggeber Geld schuldet, muss er es zurückzahlen. Daran führt kein Weg vorbei. Das Problem hierbei ist, dass Jimmy keinen Cent auf dem Konto hatte, aber …«, Lydia machte eine Pause und ihr Lächeln wurde noch strahlender, »… aber er hatte eine Frau und drei Kinder. Und er war in der Versicherungsbranche. Begreifen Sie, worauf ich hinauswill, Wendy?«
Wendy traute sich nicht zu atmen.
»Oh, ich glaube schon, aber ich will Ihnen noch mal auf die Sprünge helfen. Versicherungen. Genauer gesagt: Lebensversicherungen. Jimmy hatte eine Police. Er hat es nicht sofort zugegeben, aber irgendwann, tja, Heshy kann sehr eindringlich fragen.« Wendy sah durchs Fenster. Lydia sah, wie sie schauderte, und unterdrückte ein Lächeln. »Jimmy hat uns erzählt, dass er sogar zwei Policen hatte, die sich zusammen auf fast eine Million Dollar belaufen.«
»Dann haben Sie …«, Wendy versuchte zu begreifen, »… Sie haben Jimmy umgebracht, um an die Versicherung zu kommen?«
Lydia schnippte mit den Fingern. »Jetzt haben Sie’s, meine Liebe.«
Wendy öffnete den Mund, gab jedoch keinen Ton von sich.
»Und, Wendy, damit das ein für allemal klar ist: Jimmys Schulden sind nicht mit ihm gestorben. Das wissen wir doch beide. Die Bank erwartet, dass Sie die Hypothek weiter abzahlen, stimmt’s? Die Kreditkartengesellschaften lassen die Zinsen auch nicht ruhen.« Lydia zuckte ihre schmalen Schultern und hob die Hände ein wenig. »Warum sollte mein Auftraggeber das anders sehen?«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Der erste Scheck von der Versicherung müsste in einer Woche kommen. Bis dahin belaufen sich die Schulden Ihres Mannes auf zweihundertachtzigtausend Dollar. Ich erwarte, von Ihnen an diesem Tag einen Scheck über diese Summe zu erhalten.«
»Aber allein die Rechnungen, die er hinterlassen …«
»Psst.« Wieder brachte Lydia sie zum Schweigen, indem sie ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte. Sie senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Das interessiert mich eigentlich absolut nicht, Wendy. Ich gebe Ihnen die einmalige Gelegenheit, noch einmal davonzukommen. Melden Sie Bankrott an, wenn’s sein muss. Sie wohnen in einer ziemlich feudalen Gegend. Ziehen
Sie um. Schicken Sie Jack — das ist ihr elfjähriger Sohn, nicht wahr?«
Wendy fuhr zusammen, als sie den Namen ihres Sohnes hörte.
»Also, Jack fährt dieses Jahr nicht ins Sommerlager. Sagen Sie ihm, er soll sich einen Nachmittagsjob suchen. Das ist mir vollkommen egal. Es geht mich nichts an. Sie, Wendy, werden Ihre Schulden bezahlen, und damit ist das erledigt. Sie werden mich nie wiedersehen und nie wieder von mir hören. Wenn Sie allerdings nicht bezahlen, dann werden wir, tja, sehen Sie
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