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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Geheimnisse. Und das meine ich wörtlich.«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    »Ich versuche immer wieder, den Mut aufzubringen, noch mal an diese Tür zu klopfen, aber ich schaffe es nicht. Und jetzt, wo ich hier drin bin, hier in der Küche sitze, geht’s mir ganz gut.« Sie versuchte zu lächeln, als wollte sie ihre Aussage damit bekräftigen. »Aber ich weiß immer noch nicht, ob ich es schaffen würde.«

    »Ob du was schaffen würdest?«, fragte ich.
    »Ich schwafele.« Dina fing an, sich hektisch den Handrücken zu kratzen, grub ihre Fingernägel dabei tief in die zum Zerreißen gespannte Haut. Ich wollte meine Hand auf ihre legen, hatte dann aber das Gefühl, dass es gezwungen wirken würde. »Ich habe alles aufgeschrieben. In ein Tagebuch. Was mit mir passiert ist. Es ist noch hier.«
    »Hier im Haus?«
    Sie nickte. »Ich hab’s versteckt.«
    »Nach dem Mord hat die Polizei das Haus durchsucht. Die waren ziemlich gründlich.«
    »Sie haben es nicht gefunden«, sagte sie. »Ganz bestimmt nicht. Und selbst wenn, es ist nur ein altes Tagebuch. Sie hätten keinen Grund, sich damit zu befassen. Einerseits will ich, dass es da bleibt, wo es ist. Das ist längst alles vorbei und vergessen, verstehst du? Schlafende Hunde soll man nicht wecken. Aber andererseits will ich alles ans Licht holen. Als wäre es ein Vampir, der zu Staub zerfällt, wenn er ins Sonnenlicht kommt.«
    »Wo ist es?«, fragte ich.
    »Im Keller. Man muss sich auf den Trockner stellen, um dranzukommen. Es ist hinter einem Rohr in der Zwischendecke.« Sie schaute auf die Uhr. Dann sah sie mich an und verschränkte die Arme. »Es ist schon spät.«
    »Alles in Ordnung?«
    Wieder schoss ihr Blick im Zimmer hin und her. Plötzlich atmete sie stoßweise. »Ich weiß nicht, wie lange ich noch hier bleiben kann.«
    »Willst du dein Tagebuch suchen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Soll ich es holen?«
    Heftig schüttelte sie den Kopf. »Nein.« Sie erhob sich und schnappte nach Luft. »Ich geh wohl jetzt lieber.«

    »Du kannst jederzeit wiederkommen, Dina. Wann du willst.«
    Doch sie hörte nicht zu. In Panik rannte sie zur Tür.
    »Dina?«
    Plötzlich fuhr sie zu mir herum. »Hast du sie geliebt?«
    »Was?«
    »Monica. Hast du sie geliebt? Oder hattest du eine andere?«
    »Wovon redest du eigentlich?«
    Ihr Gesicht war leichenblass. Langsam, mit versteinerter Miene ging sie rückwärts und starrte mich an. »Du weißt, wer auf dich geschossen hat, nicht wahr, Marc?«
    Ich öffnete den Mund, bekam aber keinen Ton heraus. Als ich wieder sprechen konnte, hatte Dina sich abgewandt.
    »Tut mir Leid, ich muss los.«
    »Warte.«
    Sie riss die Tür auf und rannte davon. Ich trat ans Fenster und sah ihr nach, als sie zur Phelps Road hinaufeilte. Diesmal folgte ich ihr nicht.
    Stattdessen drehte ich mich um, und während mir ihre Worte Du weißt, wer auf dich geschossen hat, nicht wahr, Marc? noch in den Ohren klangen, stürzte ich zur Kellertür.

    Okay, ich muss hier etwas klarstellen. Ich ging nicht in den schmutzigen, unrenovierten Keller, um in Dinas Privatleben herumzuspionieren. Ich gab nicht vor, zu wissen, was am besten für sie sei und wie man sie von ihren furchtbaren Qualen erlösen könnte. Viele meiner Kollegen von der Psychiatrie sind anderer Ansicht, aber ich frage mich manchmal, ob man die Vergangenheit nicht besser ruhen lässt. Ich kann diese Frage natürlich nicht beantworten, und die Kollegen von der Psychiatrie würden mich bestimmt darauf hinweisen, dass ich ja auch nicht ihren Rat suche, wenn es um die beste Operationsmethode für eine Hasenscharte
geht. Im Endeffekt bin ich also nur in dem einen Punkt sicher, dass ich Dina die Entscheidung nicht abnehmen kann.
    Und ich ging auch nicht aus Neugier auf ihre Vergangenheit in den Keller. Ich hatte nicht das geringste Interesse daran, die Einzelheiten von Dinas Torturen nachzulesen. Ganz im Gegenteil: Ich wollte so wenig wie möglich darüber wissen. Ganz egoistisch betrachtet graute mir heftig bei dem Gedanken, dass sich in dem Haus, das ich mein Zuhause nannte, etwas so Scheußliches zugetragen hatte. Das Wissen allein reichte mir voll und ganz. Ich wollte keine Details erfahren.
    Was wollte ich also dort?
    Ich drückte auf den Lichtschalter. Die nackte Glühbirne leuchtete auf. Schon auf der Treppe begann ich, die Einzelteile zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Dina hatte ein paar seltsame Dinge erzählt. Die dramatischsten ließ ich erst einmal links liegen und dachte über ihre

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