Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
wartet gelassen an der
verabredeten Stelle. Ich entschuldige mich vielmals. Er ist die Ruhe selbst.
„Tranquilo Hombre“ – Ruhig Brauner! In Deutschland gäbe es drei Möglichkeiten:
a) Das Taxi ist weg!
b) Das Taxameter läuft schon seit fünfzehn Minuten anstatt der
fälligen zehn.
c) Der Taxifahrer flucht einem ins Gesicht und erzählt zum Dank,
wie schlecht es ihm geht und welche Krankheiten die Familie gerade, früher oder
in Zukunft plagen.
Auch wenn ich normalerweise zu den Leuten zähle, die
akribisch darauf achten, pünktlich zu sein, bin ich wirklich froh, dass mir hier
die pure spanische Mentalität entgegen schwappt. Wir fahren zurück und ich muss
schwer kämpfen, um nicht direkt im Auto einzuschlafen. Um 1:00 Uhr liege ich im
Bett. Mein amerikanischer Freund ist nun weg. Der Weg neigt sich dem Ende zu
und ich bin traurig. Das Schöne: Meine drei Mitstreiter sind noch da und
Jacqueline und Catia warten auf uns in Finisterre. Sogar Bea wird morgen da
sein.
20.06.: Olveiroa – Kap Finisterre (36,2km)
Der letzte Tag beginnt leidenschaftlich. Das Deckenlicht
ist schon an, als ich wach werde. Kaum ein anderer ist im Raum außer Annina,
Alex und Nikki, und Annina ist schwer geladen. Ein letztes Mal Einzelschicksal
spielend, hat an diesem Morgen ein Mitpilger entschieden: „Es ist Zeit für das
große Licht. Die anderen müssen ja auch was sehen.“ Es sei angemerkt, dass
mehrere kleine Leselampen im Raum vorhanden sind und genügend Licht spenden, um
frühzeitigen Pilgern die Abreise zu ermöglichen. Aber wofür kleckern, wenn man
klotzen kann. Also schön auf den „großen“ Lichtschalter gedrückt und die Sonne
aufgehen lassen. Dieser Mensch kann sich glücklich schätzen, dass ich vom Vorabend
anscheinend so müde bin, dass ich selbst nach Anschalten des Lichtes nicht
direkt wach werde. Ich glaube, er hätte seinen Weg nach Santiago spontan von
dieser Ortschaft aus zurückgenommen und wäre nicht mit mir im Nacken versucht
gewesen, noch bis ans Meer zu laufen. So ist aber nun „nur“ Annina stocksauer
und mir bleibt die Gallenkolik erspart.
Alex und ich nehmen das Angebot der Albuerge an, für drei
Euro Toast mit Marmelade, Kaffee und O-Saft zu bekommen. Die Mädels verzichten
und wollen sich in der 50 Meter entfernten Bar einen Kakao genehmigen. Um 8:15
Uhr treffen Alex und ich die beiden an der Bar und wir gehen los auf die letzte
Etappe. Es nieselt, ist diesig, aber trotz allem nicht wirklich kalt. Das
Wetter passt, zu unserem Tag, zu der Vegetation hier, einfach rundum. Es ist
eine wunderschöne Etappe mit verschlängelten Pfaden und traumhafter Vegetation.
Nach vier Kilometern gibt es notgedrungen die erste Pause. Da es die nächsten
20 Kilometer keine Möglichkeit der Verpflegung geben wird, nehmen wir hier
unser kleines zweites Frühstück ein. Die Strecke danach hängen wir abwechselnd
jeder unseren Gedanken und Erinnerungen hinterher, singen zusammen, reden und
kämpfen uns Kilometer für Kilometer in Richtung Küste. Der Weg ist wie gesagt
traumhaft, aber durch sein stetes Auf und Ab auch wirklich kräftezehrend.
Mittags in Cee angekommen, entdecken die Mädels einen Laden
zum Stöbern. Wir finden jeder etwas, was sowohl ins Budget, als auch noch in
den Rucksack passt. Danach geht es in den Supermarkt, um die Zutaten fürs
Mittagessen zu kaufen – Brot, Käse, Schinken, Thunfisch, Oliven, Cola, Kirschen
und Kuchen. Zubereitet und gegessen wird auf dem Vorplatz. Als wir uns um 15:00
Uhr auf den Weg machen, ahne ich nicht, dass meine Geduld noch einmal arg strapaziert
werden wird. Wir verlaufen uns mehrmals, weil die Stadt völlig unzureichend
beschildert ist. Alex fragt zwar Einheimische nach dem Weg nach Finisterre,
aber sie wollen uns auf irgendwelchen Wegen nach Finisterre schicken und nicht
auf dem Camino. Das ist wirklich deprimierend. Da laufen wir nun schon an die
915km und haben, abgesehen von einem Mal, eigentlich nie Probleme, den Weg zu
finden. Und dann passiert so was auf den letzten paar Kilometern. Nachdem wir
ein weiteres Mal von einer Frau geschickt worden sind und Alex‘s Optimismus,
dass dies der richtige Weg ist, erst gebremst wird, als wir in einer Sackgasse
von einem großen, wütenden Hund gestoppt werden, ist es um meine Laune
geschehen. Ich stapfe wütend voraus. Bringe Distanz zwischen die drei und mich,
indem ich den Berg schnellst möglich hochstapfe, schreie meinen Frust in die
Landschaft und verfluche lauthals dieses Kuhkaff und den Pfeilemaler.
Weitere Kostenlose Bücher