Keiner flirtet so wie du
noch.“
Überrascht sah er auf, und ihre Blicke trafen sich.
„Ich bin kein Heiliger, Charli.“
„Das verlange ich auch gar nicht von dir“, flüsterte sie, während sie die freie Hand um seinen Hals legte und seinen Kopf näher zog. Sie wollte den bitteren Nachgeschmack des Albtraums loswerden, wollte sich beweisen, dass sie nicht mehr der verzweifelte, um Anerkennung kämpfende Teenager von damals war.
Sie richtete sich auf, kam ihm auf halbem Weg entgegen, und ihre Münder trafen sich in einer Explosion aus Leidenschaft und Verlangen.
„Oh Gott“, seufzte sie, als er seinen Mund von ihrem löste, eine Spur aus Küssen über ihren Hals zog und zärtlich mit den Zähnen an der empfindlichen Haut knabberte, bis sie eine Gänsehaut bekam.
Als sie den Kopf zurücksinken ließ, fiel ihr Blick in den Spiegel am Kleiderschrank – ihre beiden Körper zu einem verschmolzen, sie in seinen starken Armen, ihr Gesicht gerötet, die Augen geweitet. Ein Bild verruchter Leidenschaft, zwei Menschen, die den Augenblick lebten, ohne an morgen zu denken.
Und da begriff sie.
Sie benahm sich genau wie ihre Mutter.
Sharon hatte sich stets Trost bei Männern erhofft, hatte verzweifelt versucht, dem Elend ihres Lebens zu entrinnen: dem stumpfen Job als Kassiererin, der schäbigen Sozialwohnung, der Geldnot, der Tochter, die sie nicht wollte.
Und obwohl sie ganz anders war als Sharon, reichte schon der leiseste Verdacht einer Ähnlichkeit, um diesem magischen Moment einen Dämpfer zu versetzen.
Ihre Unschlüssigkeit kam sie teuer zu stehen, denn Luca hörte auf, sie zu küssen, hob den Kopf und blickte ihr forschend ins Gesicht. „Ich weiß, das hätte ich nicht tun dürfen.“
„Mach dir bloß keinen Kopf“, versuchte sie, die Atmosphäre aufzulockern, weil sie nicht wollte, dass er sich Vorwürfe machte. Schließlich hatte sie es ebenso gewollt wie er. „Außerdem habe ich angefangen.“
„Weil du Trost gesucht hast.“ Er klang, als hätte er lieber die ganze Nacht im eiskalten Wasser nach Gold geschürft, als hier bei ihr zu sein.
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, bevor sie die Lippen aufeinanderpresste. Verdammt, er hatte ja recht. Sie hatte sich ihm an den Hals geworfen, um ihre tief sitzende Unsicherheit zu überwinden, und war damit unabsichtlich in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten. „Jetzt habe ich alles verdorben, nicht wahr?“
Ein jungenhaftes Lächeln umspielte seine Lippen. „Du hast einen Gutenachtkuss gebraucht. Ich habe dir einen gegeben. Was hältst du davon, wenn wir es für heute Abend dabei belassen?“
Dankbar nickend strich sie mit den Fingern über seine Wange, und das Kitzeln seiner Bartstoppeln sandte von den Fingerspitzen ein Prickeln ihren Arm hinauf. „Na gut.“
Er stand auf, und sofort fühlte sich das Bett leer an. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie ihm nachsah.
Er war so schön. Die Muskeln an seinem Rücken spielten bei jedem Schritt, jeder Armbewegung, und sie fragte sich kurz, wie viele Frauen ihn schon so gesehen hatten.
Ihn so hatten davongehen sehen, während sie mit ihrer Sehnsucht allein zurückblieben.
An der Tür hielt er inne und lächelte ihr über die Schulter zu. „Nur damit das klar ist, beim nächsten Mal kommst du mir nicht so leicht davon.“
Ihr Herz geriet ins Stolpern, und ihre Nervenenden prickelten erwartungsvoll, doch glücklicherweise wartete er nicht auf eine Antwort.
Nachdem er fort war – die Tür hatte er offen gelassen –, ließ sie sich ins Bett zurücksinken und schloss die Augen. Doch es gelang ihr nicht, seinen verlangenden Blick aus ihrem Kopf zu löschen.
Er hatte recht.
Es würde ein nächstes Mal geben.
7. KAPITEL
Hector rief sonst nie an, wenn sie unterwegs war. Er vertraute Charli blind, ob es nun darum ging, Premierenpartys auszurichten oder die Sitzplatzkapazität von Konzerthallen zu prüfen. Daher erschrak sie, als Hectors Klingelton auf ihrem Handy ertönte.
Selbst nach all den Jahren, in denen er ihr seine Zuneigung unzählige Male bewiesen hatte, rechnete sie immer noch jeden Moment damit, dass ihr alles, was sie erreicht hatte, von eben jenem Mann wieder genommen wurde, dem sie es verdankte.
Sie hätte es wirklich besser wissen müssen. Seit jenem Tag, an dem er sie in seinem Schuppen gefunden hatte, war Hector stets galant, fürsorglich und voller Vertrauen in sie gewesen. Er war so etwas wie ein Erlöser für sie. Hatte ihr ein Dach über dem Kopf gegeben, einen Schulabschluss ermöglicht
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