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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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die Hälfte meiner Schulden
     sofort zurückzahlen, ich muß nur zur Sparkasse gehen.«
    »Du hast mir doch die Hälfte schon zurückgezahlt«, entgegnete Skwosnjak und sah ihm ruhig in die Augen, »das heißt, du hast
     sie abgearbeitet. Du kannst das Geld also behalten.«
    »Ich will das nicht«, sagte Tolja leise. »Bitte, nimm das Geld.«
    »Du mußt keinen Schiß haben, Tolja. Außer mir weiß niemand Bescheid. Und es wird auch niemand erfahren. Du hast zwei Möglichkeiten:
     Du reparierst weiter Kloschüsseln, bis du alt und grau bist, und bleibst ewig in zehn Quadratmetern mit Schwarzweißfernseher
     hocken. Oder du lebst wie ein Mensch. Du könntest alles haben – ein Auto, ein Haus; wenn du willst, könntest du ein eigenes
     Restaurant aufmachen. Weißt du noch, du hast mal gesagt, das wäre dein Traum? Also, ich serviere dir das alles auf einem goldenen
     Tablett, und du Dummkopf rümpfst die Nase. Du hast es schließlich verdient, Tolja, das steht dir zu, als Entschädigung für
     die Kindheit im Heim.«
    »Und wenn sie uns erwischen und einsperren?« fragte Tolja flüsternd.
    »Hör mal, du kennst mich seit unserer Kindheit«, sagte Skwosnjak stirnrunzelnd, »wenn man es klug anstellt, wird man nicht
     erwischt.«
    »Mußtest du den alten Mann denn unbedingt umbringen?«
    »Zur Sicherheit – ja.«
    Skwosnjak mußte Tolja nicht lange überreden. Niemand stand ihm so nahe wie Skwosnjak. Es stimmte alles, was er sagte, besonders
     das mit der Entschädigung.
    Die Miliz erschien kein einziges Mal bei dem vorbildlichen, abstinenten Klempner Tschuwiljow. Niemand sah eine Verbindung
     zwischen den Einbrüchen und den Einsätzen des Klempners. Vor einem Monat war das Waschbecken verstopft gewesen, gestern war
     in die Wohnung eingebrochen worden – na und, was hatte das miteinander zu tun?
    Wie im Märchen hatte Tolja rasch das Geld für einen guten Shiguli zusammen, dann kaufte er sich ein kleines Grundstück und
     baute sich darauf nach und nach ein Haus, nicht weit entfernt von Moskau. Es war das Jahr 1991. Der Traum von einem eigenen
     Restaurant war zusammen mit dem soliden Steinfundament gewachsen und hatte ziemlich konkrete Formen angenommen.
    Der künftige Restaurantbesitzer arbeitete noch immer als Klempner. Die Mieter wunderten sich, wenn nach ihrem Anruf bei der
     Wohnungsverwaltung nicht etwa ein rotnasiger, unkundiger Säufer erschien, sondern ein solider, nüchterner, äußerst höflicher
     Mann. So einem eine Flasche Wodka in die Hand zu drücken war irgendwie peinlich, also bot man ihm oft eine Tasse Tee an, und
     das lehnte er nie ab, er schwatzte gern mit den Mietern über dies und das.
    Erst vor einem Jahr hatte Tschuwiljow bei seiner letzten Arbeitsstelle gekündigt. Gern hätte er Skwosnjak zur feierlichen
     Eröffnung seiner »Schenke« eingeladen. Doch Skwosnjak war wieder einmal spurlos verschwunden.
    Die »Schenke« war keine primitive Raststätte, es war ein gepflegtes Restaurant im russischen Folklorestil: bestickte Tücher
     an den Blockhauswänden, Kellner in Russenhemden und traditionelle russische Gerichte.
    Tschuwiljow kostete jeden Morgen höchstpersönlich den Borschtsch, roch und probierte den Hefeteig für die Piroggen – ob er
     auch nicht zu sauer war oder zu salzig. Von klein auf liebte er nicht nur die Gerüche, sondern auch die Geräusche der Küche.
     Klappernde Töpfe, Butter, die in der Pfannezischte, leise blubbernde Suppe – das alles war für ihn wie Musik, von tiefem Sinn erfüllt.
    Solange Tolja denken konnte, hatte er immer Hunger gehabt. Aus den Heimküchen hatte es meist nach angebrannter Grütze und
     nüchterner Erbsensuppe gerochen. Auch jetzt noch, da er essen konnte, was und wieviel er wollte, dachte er immer wieder an
     die süßen Brötchen zurück, die es im Heim sonntagnachmittags gegeben hatte.
    Tolja lief durch die glänzende, betörend duftende Küche seines eigenen Restaurants und dachte traurig, daß ein klebriges Karamelbonbon,
     im Schlafsaal heimlich unter der Bettdecke verzehrt, trotz allem besser geschmeckt hatte als die beste Schweizer Schokolade.
     Er stellte sich oft vor, was gewesen wäre, hätte jemand ihm, dem ewig hungrigen Heimkind, eine solche Küche gezeigt und gesagt:
     Hier wirst du einmal der Chef sein. Wahrscheinlich hätte der Waisenjunge, der zudem durch seine psychiatrische Diagnose stigmatisiert
     war, ihm nicht geglaubt, er hätte gedacht, er wolle sich über ihn lustig machen. Aber nun hatte er tatsächlich eine

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