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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Gedanken über Katja und sich, daß er den kräftigen, nicht sehr großen Jungen, der schon seit fünf Minuten neben ihm
     auf der Bank saß, nicht bemerkt hatte.
    »Du bist also Klempner«, sagte der Bursche leise. »Reparierst Kloschüsseln.«
    Tolja drehte sich um und erkannte Skwosnjak sofort.
    »Kolja! Du? Wie hast du mich gefunden? Oder bist du zufällig hier?«
    »Ich vergesse meine alten Freunde nicht«, entgegnete Skwosnjak lächelnd. »Na, erzähl mal, wie’s dir so geht.«
    An jenem Abend sprachen sie nicht lange miteinander. Katja kam heraus, und Skwosnjak verabschiedete sich und verschwand. Tolja
     hatte ihn überhaupt nichts fragen können, nicht einmal nach seiner Adresse oder seiner Telefonnummer, und fürchtete den alten
     Freund aus dem Heim wieder zu verlieren. Doch nach einer Woche tauchte Skwosnjak erneut auf, vollkommen überraschend. Eines
     Abends erschien er einfach bei Tolja zu Hause.
    Tolja lebte in einer Gemeinschaftswohnung. Die drei anderen Zimmer wurden von drei Familien bewohnt, die eine Familie hatte
     eine gelähmte Oma, in der nächsten war der Mann Alkoholiker, die dritte hatte drei Kinder, eins davon noch ein Baby. Tolja
     und Katja wollten heiraten und warteten auf eine Wohnung. Beide wußten längst, daß sie, obgleich ihnen als Mitarbeitern der
     Wohnungsverwaltung eine Einzimmerwohnung zustand, diese nicht ohne Schmiergeld bekommen würden – die Warteliste war lang.
     Aber bis man die nötige Summe zusammen hatte, war man alt und grau.
    Kolja Skwosnjak nahm regen Anteil an den Problemen seines Freundes und brachte ihm eines Tages tausend Rubel mit. Genau die
     Summe, die man der Verwaltungschefin geben mußte.
    »Nicht doch!« sagte Tolja erschrocken. »Das kann ich dir doch nie zurückzahlen!«
    »Mach dir keinen Kopf« – Skwosnjak klopfte ihm auf die Schulter –, »wir werden uns schon irgendwie einig.«
    »Wo hast du denn überhaupt soviel Geld her?« fragte Tolja.
    Skwosnjak überging die Frage und wechselte das Thema.
    Skwosnjak kam weder zur Hochzeit noch zur Einzugsfeier. Er ließ sich lange nicht blicken, fast ein Jahr. Tolja kannte noch
     immer weder Adresse noch Telefonnummer seines Freundes. Er hatte ein paarmal danach gefragt, doch Skwosnjak hatte immer nur
     gesagt: »Militärisches Geheimnis.«Von wegen: Ich bin Spion. Tolja war nicht gekränkt. Wenn er es ihm nicht sagen wollte, dann eben nicht. Die blinde kindliche
     Anhänglichkeit aus der gemeinsamen Heimzeit war stärker als jede Logik, stärker als Neugier und gesunder Menschenverstand.
    Toljas Ehe wurde nicht glücklich. Eines Tages kam er von einem Nebenjob, von dem er gedacht hatte, er würde den ganzen Tag
     dauern, schon nach ein paar Stunden zurück und erwischte seine schöne Katja mit einem anderen Mann im Bett. Genau wie in einem
     abgedroschenen Witz, richtig lächerlich. Aber Tolja war keineswegs zum Lachen zumute. Zum erstenmal im Leben bedauerte er,
     daß er nicht trank und sich nicht aufs Prügeln verstand.
    Die neue Wohnung mußte getauscht werden. Aber wie sollte man eine Einzimmerwohnung tauschen? Nur mit Wertausgleich. Just in
     diesem Moment tauchte Skwosnjak wieder auf. Gab Tolja noch einmal tausend Rubel. Von da an kam er öfter. Stellte Tolja Fragen
     nach seiner Arbeit, nach den Mietern, wer was für Möbel hatte und was für Sanitärtechnik. Tolja waren diese Gespräche nicht
     ganz geheuer. Er hatte bereits begriffen, wovon sein Freund lebte und warum er ihm einfach so soviel Geld geben konnte.
    Tolja fing an zu sparen, gönnte sich nichts, nahm jeden Nebenjob an. Nach anderthalb Jahren hatte er tausend Rubel zusammen.
     Da erfuhr er, daß die Wohnung eines seiner Mieter ausgeraubt worden war, und zwar nicht nur das – es war dabei auch jemand
     ermordet worden. Die Frau war nicht zu Hause gewesen, sie lag im Krankenhaus, aber der greise Ehemann war tot aufgefunden
     worden.
    Tolja bekam Angst. Er fürchtete, daß die Miliz auch zu ihm kommen würde. Doch das geschah nicht. Und Skwosnjak verschwand
     für lange Zeit. Tolja sparte weiter, um die zweitausend mit einem Schlag zurückgeben zu können und nie wieder auf die gefährlichen
     Fragen seines Freundes über fremde Wohnungen antworten zu müssen.
    Nach zwei Monaten gab es einen weiteren Einbruch. Diesmal ohne Tote. Die Mieter waren glücklicherweise nicht zu Hause gewesen.
     Nach einem weiteren Monat kam Skwosnjak wieder.
    »Ich habe tausendzweihundertdreißig Rubel auf dem Sparbuch«, sagte Tolja zu ihm, »ich kann dir

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