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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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fest. In diesem Griff lag keinerlei Zärtlichkeit,
     das war kein Liebesspiel.
    Ihr wurde bange, so bange wie noch nie zuvor. Bislang war nichts passiert, hatte sich nichts verändert. Sie saß in ihrem eigenen
     Zimmer, auf dem Schoß des Mannes, den sie vor zwei Tagen noch heiraten wollte. Und plötzlich hatte sie das Gefühl, er könnte
     ihr jeden Moment sehr weh tun, ja, sie sogar töten.
    Vera blinzelte, als wolle sie dieses Ahnung vertreiben. Wer immer er war – töten würde er sie nicht. Er wollte etwas von ihr
     erfahren. Wozu also sollte er sie töten?
    »Fjodor, halt mich bitte nicht so fest« – ihre Stimme klang ruhig und sanft –, »das ist mir unangenehm.«
    »Und mir ist es unangenehm, wenn man mich zum Idioten macht«, sagte er langsam.
    »Stas ist tot«, flüsterte sie.
    »Der Bärtige?« fragte Fjodor gleichgültig.
    »Ja. Der Bärtige. Wir haben uns seit fünfzehn Jahren gekannt.«
    »Gekannt ist gut. Er hat dich fünfzehn Jahre lang gevögelt, wann immer es ihm paßte. Was ist passiert, ist er vor Enttäuschung
     unter ein Auto geraten?«
    »Hör auf«, sagte Vera stirnrunzelnd, »beruhige dich. Und laß mich bitte los.«
    »Und warum war der Milizionär hier? Oder hat Sonja sich das ausgedacht?«
    »Bei uns auf dem Hof wurde ein Mann erschossen. Hier lief ein Verrückter rum, der die Kinder im Hauseingang erschreckt hat,
     auch Sonja. Irgend jemand hat ihn erschossen. Der Milizionär hat Sonja Fotos gezeigt, damit sie ihn identifiziert.«
    Er ließ sie los.
    Vera sprang von seinem Schoß herunter, als hätte sie am Rande eines Abgrunds gestanden.
    Ich muß das Spiel weiter durchhalten, dachte sie. Mein Gott, was für ein Spiel? Ausgerechnet sie, die unfähig war, zu lügen,
     sich zu verstellen, der man stets alles vom Gesicht ablesen konnte … Vielleicht sollte sie ihn einfach rausschmeißen? Verzeih,
     mein Lieber, wir sind einfach zu verschieden! Na klar, dann würde er bestimmt gehen!
    »Fjodor, liebst du mich?« fragte sie und sah ihn mit klaren Augen an.
    »Ja, Vera. Ich liebe dich. Aber du liebst mich kein bißchen. Du bist traurig wegen Stas, doch meine Probleme sind dir egal.«
    »Was meinst du?«
    »Siehst du, du hast es schon vergessen. Hat Kurbatow angerufen?«
    »Ach, das meinst du. Nein, hat er nicht.«
    »Hast du nach den Faxen gesucht?«
    »Hab ich. Aber wie ich mir schon dachte, es ist nichts mehr da. Ich hab doch erst vor kurzem alle Papiere auf meinem Schreibtisch
     und in den Schubläden sortiert, und dabei hab ich alles Überflüssige weggeworfen.«
    Im Flur klingelte die Wechselsprechanlage.
    »Wer ist das?« Fjodor richtete sich im Sessel auf.
    Vera hielt ihn zurück. »Bleib sitzen, ich gehe aufmachen. Warum bist du so nervös? Das ist der Computerfachmann.«
    »So schnell?«
    Vera überhörte die Frage, ging in den Flur, griff zum Hörer der Wechselsprechanlage, vernahm die Stimme von Anton Kurbatow
     und seufzte erleichtert auf.
    »Wer ist denn da gekommen, Vera?« fragte ihre Mutter von der Küchenschwelle.
    »Das ist für mich, mein Computer muß repariert werden.«
    »Was denn, dein Computer ist kaputt?« Nadeshda zog langsam die Brauen hoch.
    »Er hat schon lange eine Macke«, erklärte Sonja gewichtig, schlüpfte unter Nadeshdas Arm hindurch in den Flur.
    Erst vor kurzem hatte Vera ihrer Mutter zum wiederholten Mal erklärt, ein Computer könne faktisch nicht kaputtgehen.
    »Ja, Mama. Ich glaube, er hat einen Virus.«
    Es klingelte.
    Vera erkannte Anton Kurbatow nicht gleich. Das letztemal war er schlicht und elegant gekleidet gewesen. Jetzt steckte im Kragen
     eines ungebügelten grellbunten Hawaiihemdes ein albernes gepunktetes Halstuch, die weiße Leinenhose war unverkennbar schmuddelig
     und zerknittert und erinnerte an Unterwäsche. Obendrein trug er noch eine unglaubliche quadratische Brille mit rauchgrauen
     Gläsern, und an einer Hand funkelte ein massiver Silberring.
    Vera fand, daß er sich ganz gut kostümiert hatte. Er hatte sich keinen Bart oder Schnurrbart angeklebt. Das wäre womöglich
     aufgefallen, hätte Fjodor mißtrauisch gemacht. Sein Gesicht hatte Anton nicht verändert, nur sein äußeres Erscheinungsbild,
     das jedoch radikal. Selbst wenn Fjodor ihn schon einmal gesehen haben sollte, würde er in dembilligen Spinner mit homosexuellem Touch kaum Anton Kurbatow erkennen.
    »Guten Tag, Valentin! Schön, daß Sie so schnell kommen konnten.« Vera lächelte erfreut. »Treten Sie bitte ein.«
     
    Anton Kurbatow kannte sich aus mit

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