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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ich noch mal von vorn anfangen«, knurrte er. »Ja, stimmt so.« Er hielt einen Schein gegen das
     Licht, »Sind die auch nicht falsch? Na schön, Jungs, ich vertraue euch. Also dann, macht’s gut.«
    »Viel Glück, Kleiner. Ich werde dich vermissen. Du mich auch?«
    Die Glastür zum Flughafengebäude schwang vor ihm auf. Er wandte sich um. Der Ford rührte sich nicht von der Stelle. Achmed
     war ausgestiegen und stand in lässiger Pose daneben, den Ellbogen auf das Wagendach gestützt. Denis lief ein paar Schritte
     durch die belebte Halle und drehte sich noch einmal um. Karolina warf ihm einen Luftkuß zu, Achmed stand noch immer da, rauchte
     und dachte offenbar nicht daran, sich wieder ans Steuer zu setzen. Plötzlich spürte Denis einen stechenden, aufmerksamen Blick
     auf sich ruhen.
    Er blickte nervös nach allen Seiten und entdeckte vor der Vitrine eines Souvenirladens zwei Türken, einen jungen und einen
     älteren. Er schaute zu ihnen, dann nach draußen, zum Ford. Der schnurrbärtige Achmed nickte den beiden kaum merklich zu. Oder
     bildete Denis sich das nur ein? Der Ältere ließ seinen Blick rasch über Denis’ Gesicht gleiten undwandte sich ab. Achmed zertrat seine Zigarettenkippe und setzte sich ans Steuer.
    Der Ford fuhr ab. Die beiden Türken betrachteten eingehend die Zeitschriften im Ständer vor dem kleinen Souvenirladen.
    Denis schaute auf die Anzeigetafel, entdeckte Moskau und blickte auf sein Ticket. Ja, das war sein Flug. Vor dem Abfertigungsschalter
     stand eine lange Schlange.
    Hinter der Abfertigung waren Paß- und Zollkontrolle. Von dort drang aufgeregtes Hundegebell. Die auf Drogen abgerichteten
     Hunde würden sein Päckchen sofort aufspüren.
    Denis drehte sich um. Die beiden Türken waren nun ganz nah. Es gab kein Zurück. Er ging zur Schlange und fragte eine junge
     gefärbte Blondine auf russisch: »Ist das der Flug nach Moskau?«
    Das Mädchen nickte. Die Schlange rückte schnell vor. Als noch höchstens fünf Leute vor ihm standen, sagte er laut: »Ich bin
     gleich wieder da!«
    Mit einem schrägen Seitenblick zu seinen Aufpassern, die kein Auge von ihm ließen, steuerte er gelassen auf die Toiletten
     zu. Die beiden folgten ihm.
    Aufs Klo geht nicht, das ist eine Sackgasse, dachte er. Was machen die beiden wohl mit mir, wenn ich das Flugzeug verpasse?
     In der Menge jemanden zu töten ist ja kein Problem. Und wenn er die Tasche zwischen Abfertigung und Zollkontrolle wegwarf?
     Nein, das ging auch nicht. Auf Flughäfen wurde ganz besonders auf verlassene Gepäckstücke geachtet. Aber selbst wenn ein Wunder
     geschieht und ich hier durchkomme, dann erledigt mich in Moskau der »süße russische Bär«.
    Ich bin ein Zeuge. Warum also sollten sie mich laufenlassen, noch dazu mit dem Geld?
    Denis hatte die Toilettentüren passiert und gelangte unversehens in die benachbarte Ankunftshalle. Die Menge dereben Angekommenen wälzte sich zum Ausgang. Denis schlüpfte zwischen einer gesetzten älteren Dame und dem riesigen Koffer auf
     Rädern hindurch, den sie hinter sich herzog, zwängte sich geschickt in die dichte Menge und war im nächsten Moment auf der
     Straße.
    Vor dem Flughafengebäude standen viele Autos und Busse.
    Ohne recht zu wissen, was er tat, sprang Denis in den erstbesten Bus, dessen Türen sich gerade schlossen. Der Bus war voll.
    »Es ist kein Platz mehr frei, Sir«, sagte der türkische Fahrer auf englisch.
    »Macht nichts, ich kann auch stehen«, erwiderte Denis munter.
    »Okay«, willigte der Fahrer ein, »dann stehen Sie eben. Aber bezahlen Sie bitte.«
    »Selbstverständlich, leider bin ich noch nicht zum Geldtauschen gekommen. Ich habe nur Dollar.« Mit zitternder Hand reichte
     er dem Fahrer einen Hundertdollarschein. Sein Blick glitt zum Fenster hinaus. Die beiden Aufpasser standen mitten auf dem
     Vorplatz und sahen sich suchend um. Ihre Mienen konnten einem Angst machen.
    Ihr könnt mich nicht sehen, die Busfenster sind nämlich abgedunkelt, dachte Denis schadenfroh und schaute sich die beiden
     noch einmal aufmerksam an, um sie im Fall des Falles wiederzuerkennen.
    »Ihr Wechselgeld, Sir!« Der Fahrer reichte ihm einen Packen zerknitterter türkischer Lira und schüttete ihm einen Haufen Kleingeld
     in die Hand.
    Der Bus fuhr ab. Die beiden Männer standen noch immer auf dem Platz.
    Denis fuhr ins Stadtzentrum von Ankara. Auf den lauten, bunten Straßen, in denen es nach Gewürzen und Hammelfett roch, verspürte
     er zum erstenmal seit Tagen einen

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