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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Bärenhunger. Doch bevor er etwas essen ging, suchte er erst einmal eine Bank auf, tauschte
     zwei weitere Hundertdollarscheinegegen türkische Lira, schlüpfte in ein riesiges Kaufhaus und erstand einen leichten, sandfarbenen Anzug, ein cremefarbenes
     Leinenhemd, helle Wildlederschuhe mit Löchern, eine zum Anzug passende seidene Krawatte, eine kleine lederne Aktentasche sowie
     eine dunkle Brille. Er bezahlte, ging auf die Herrentoilette und zog sich um. Jeans und T-Shirt, die die fürsorgliche Karoline
     für ihn gekauft hatte, stopfte er in die Sporttasche, nachdem er das Foto des »süßen Bären« aus der Hosentasche genommen und
     in die Innentasche seines Jacketts gesteckt hatte.
    Er betrachtete sich im Spiegel und war nun beinahe ruhig. Er war kaum wiederzuerkennen. Im Gegensatz zu seinem Bruder Anton,
     der von klein auf gern helle Hosen, Sakkos und Krawatten getragen hatte, bevorzugte Denis normalerweise Jeans, Pullover und
     dunkle T-Shirts. Im Anzug war er ein völlig anderer Mensch, selbst sein Gesichtsausdruck wirkte verändert. Sein neues Äußeres
     gefiel ihm.
    Von nun an werde ich immer Anzug tragen, dachte er fröhlich. Ich sehe aus wie ein junger Banker, ein erfolgreicher Geschäftsmann,
     bei dem alles im Leben okay ist. Ist es ja auch. Ich bin noch am Leben, und ich besitze obendrein fast achttausend Dollar
     plus das Päckchen. Ein Pfund Drogen, das ist ein kleines Vermögen. Wir könnten endlich ein eigenes Unternehmen gründen. Bisher
     hatten wir immer Pech, weil wir quasi bei Null anfangen mußten. Das hier ist endlich eine Chance. So eine bekommen wir so
     schnell nicht wieder.
    Er stand noch immer vorm Waschbecken und redete in Gedanken mit sich selbst, den Blick auf sein neues Spiegelbild gerichtet.
     Plötzlich tauchten hinter ihm zwei türkische Polizisten auf. Fröhlich schwatzend kamen sie herein, stellten sich ans Pissoir
     und knöpften, ohne Denis im geringsten zu beachten, ihre Uniformhosen auf. Sie waren in voller Ausrüstung – Pistolentasche,
     Handschellen, Gummiknüppel.
    Denis strich sich durch das kurze Haar und bemerkte, daß seine Hand heftig zitterte.
    Idiot! Schwachkopf! sagte er sich und verließ rasch die Toilette.
    Auf der Straße bog er in eine schmuddelige Gasse, wo in den Höfen hinter den Cafés große Mülltonnen standen. Ohne auch nur
     einen Augenblick zu zögern, warf er die Tasche mit dem unglückseligen Päckchen, den Jeans und dem T-Shirt weg. Sogleich stürzte
     ein Obdachloser in einem fersenlangen Hemd und mit einem schwarzweiß karierten Tuch um den Kopf zu der Mülltonne. Denis rannte
     fort, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Erst als er die schmuddelige Gasse mit den Mülltonnen weit hinter sich gelassen hatte, wurde er ruhig und fühlte sich in Sicherheit.
     So mußte jemandem zumute sein, dem man gesagt hatte, er habe Krebs, wenn sich herausstellte, daß die Diagnose ein Irrtum war.
     Alle Farben wirkten plötzlich heller, alle Gerüche intensiver und appetitlicher. Ihm gefiel diese Stadt, in der das würzige,
     wilde Chaos des Orients durch einen Hauch von europäischem Glanz gebändigt wurde.
    Er gestand sich ein, daß er mit dem Drogenpäckchen in der Tasche niemals eine derartige freudige Leichtigkeit empfunden hätte.
    Er ging in eine Bank, tauschte noch einmal hundert Dollar, dann bummelte er mit dem lässigen Gang eines Touristen durch das
     reiche, bunte Viertel und studierte dabei die Aushänge der zahllosen Cafés und Restaurants. Türkische Küche, französische,
     japanische, englische …
    Die Anreißer witterten in ihm einen potentiellen hungrigen Kunden, kamen angelaufen, schauten ihm in die Augen und packten
     ihn am Arm.
    »Sir, kommen Sie herein, nur einen Augenblick, nur mal schauen, bei uns ist es nicht teuer! Frisches Kalbfleisch! Lammrippchen!
     Kaffee gratis! Ein ganz besonderes Dessert! Der beste Hummer in der ganzen Stadt!«
    Denis verspürte plötzlich ein unbändiges Verlangen nach Hummer, den er noch nie probiert hatte. Im leeren Restaurantwar es kühl, leise dudelte monotone orientalische Musik. Als der schnurrbärtige Kellner mit dem Fez auf dem Kopf die Bestellung
     aufgenommen hatte und sich bereits entfernte, fiel Denis ein, daß er vergessen hatte, Zigaretten zu kaufen.
    »Möchten Sie nicht einmal eine Wasserpfeife probieren?« fragte der herbeieilende Barkeeper.
    Nein, das wäre zu fett, dachte Denis, erst eine Wasserpfeife, dann üppige Türkinnen in durchsichtigen Pluderhosen und Bauchtanz
     …
    »Warum

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