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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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schien, er würde Skwosnjak selbst im Dunkeln erkennen. Aber
     dafür müßte er näher an ihn herankommen, und das war zu gefährlich.

Zwölftes Kapitel
    Der Mongole hatte ihm beigebracht, die Fingerspitzen mit einem speziellen Klebstoff zu versiegeln. Das verhinderte Fingerabdrücke.
     Der Kleber ließ sich anschließend mit Spiritus mühelos entfernen. Man durfte nur nicht vergessen, sich ständig einzucremen,
     sonst wurde die Haut vom Kleber und vom Spiritus zu trocken, und die Finger verloren ihre Geschmeidigkeit und Sensibilität.
    Es war das Jahr 1981. Skwosnjak war achtzehn geworden, und der Mongole wollte seine Volljährigkeit auf seine Weise begehen.
    Die Wohnung gehörte einem Bademeister, den der Mongole seit vielen Jahren kannte. Der kleine, dicke Moskauer Georgier Irakli
     betätigte sich neben seiner Arbeit in der Banja als Hehler, besonders von Antiquitäten. Am Tag zuvor hatte er den Mongolen
     mächtig über den Tisch gezogen und ihm einen mehrteiligen Smaragdschmuck – Ohrringe, einen Ring und einen Anhänger – zu einem
     Drittel des realen Preises abgekauft. Er hatte dem Mongolen wortreich versichert, die Sachen seien nicht echt. Der Mongole
     hatte ihm nicht widersprochen. Skwosnjak, der dabeisaß, wußte sofort: Die Stunden des Bademeisters sind gezählt. Als siegegangen waren, hatte der Mongole draußen zu ihm gesagt: »Übermorgen schickt er seine Frau mit den Kindern nach Kutaïssi.
     Dann zieht seine Geliebte bei ihm ein. Er wird die Klunkern nicht weiterverkaufen, er wird sie selber behalten. Vielleicht
     schenkt er sie ja seiner Geliebten, aber die läuft damit schon nicht weg. Dazu wird sie nicht mehr kommen.«
    Skwosnjak wunderte sich ein bißchen, als er erfuhr, daß sie zu zweit zu dem Bademeister gehen würden – der Mongole und er.
     Aber er stellte keine Fragen – das schätzte der Mongole nicht.
    Um Mitternacht klingelten sie an der Wohnungstür. Der Bademeister ließ sie ein. Er trug ein schmuddeliges weißes T-Shirt und
     geblümte weite Satinunterhosen. Im Zimmer dröhnte laut fröhliche Unterhaltungsmusik.
    »Ich hab euch gar nicht erwartet, aber kommt doch rein, liebe Gäste.« Er wies mit einladender Geste auf die Küche.
    »Wer ist das, Irakli?« rief eine Frauenstimme aus dem Zimmer.
    »Geh rein, Skwosnjak, begrüß die Dame«, flüsterte der Mongole.
    Irakli protestierte empört.
    »He, Skwosnjak, da darfst du nicht rein! Was soll das, Mongole?«
    Doch er bekam keine Antwort. Mit einer raschen Bewegung riß der Mongole ihm den rechten Arm auf den Rücken, so daß die Gelenke
     knackten.
    »Wo sind die Klunkern?« fragte der Mongole freundlich und trat dem Bademeister mit dem Knie so heftig in die Seite, daß dessen
     Niere sich löste.
    »Ich geb dir alles«, keuchte Irakli, »bring mich nicht um, ich geb dir ja alles.«
    Kolja war neugierig auf die Frau, die er in wenigen Minuten töten würde.
    »Sie weiß bestimmt nichts, du mußt nicht lange mit ihr reden«, hatte der Mongole noch im Lift zu ihm gesagt.
    Die Frau lag splitternackt auf der Liege. Als ein ihr unbekannter junger Mann hereinkam, stieß sie einen erschrockenen Schrei
     aus und zog hastig die Decke über sich.
    »Wer bist du, Junge? Du darfst hier nicht rein. Geh sofort raus!«
    »Ich darf«, sagte Skwosnjak lächelnd.
    Sie war sehr hübsch. Kurze helle Locken, kräftige, volle Lippen, üppige Brüste. Eine tolle Szene, dachte Kolja, wie in einem
     amerikanischen Film. Unwillkürlich mimte er den Filmbösewicht und versetzte der Schönen träge einen Schlag in die Magengrube.
     Während sie wie ein Fisch mit offenem Mund nach Luft schnappte, beugte er sich zu ihr herunter, packte sie an den Haaren und
     flüsterte ihr zärtlich ins Ohr: »Wo hat dein Hammel seine Geheimverstecke?«
    Sie sah ihn aus hervorquellenden Augen an und wirkte schon nicht mehr so hübsch. Ihr Gesicht war rot angelaufen, der Mund
     weit offen. Sie bekam noch immer nicht richtig Luft.
    »Wenn du’s nicht weißt, mach ich dich gleich kalt.«
    Sie kannte die Geheimverstecke nicht. Aber auf der Anrichte lag ein Häufchen ihres eigenen Schmucks – Ohrringe mit großen
     blauen Saphiren, zwei Ringe, eine antiker mit einem Brillanten und ein moderner mit einem Saphir, passend zu den Ohrringen,
     außerdem eine goldene Uhr mit dickem Goldarmband.
    »Nimm nur, nimm alles, aber bring mich nicht um. Ich habe einen kleinen Sohn, er ist erst zwei. Und eine kranke Mutter. Bring
     mich nicht um«, murmelte sie.
    »Wie sieht’s aus bei

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