Keinesfalls Liebe (German Edition)
Gedanken.
„Oh“, presste ich schließlich hervor. Zu mehr kam ich nicht, weil ich keinen Ton herausbrachte, während Seans Nachricht langsam in mein Bewusstsein sickerte und mein Herz mit kalten Fingern folterte, und weil in diesem Moment der Groschen fiel.
Daniel hatte gewusst, dass Carlos im Krankenhaus lag, und er hatte mir nichts gesagt.
Carlos war wirklich überraschend wach, bei guter Laune und froh, mich zu sehen. Ich beugte mich über ihn, um ihn behutsam zu umarmen und dabei nicht seinen dick vergipsten linken Arm zu berühren. Dann umarmte ich Celine.
„Hat Sean es dir erzählt?“, wisperte sie so leise, dass nur ich es hörte.
„Ja.“ Meine Stimme klang seltsam. „Alles.“
„Sag’s Carlos bitte nicht“, bat sie. „Ich möchte es tun. Die Polizisten müssten jeden Moment da sein.“
„Natürlich sag ich’s ihm nicht. Ist gut, Celine, ist ja schon gut!“, ergänzte ich eilig, als sie zu beben begann. Doch sie fasste sich.
Als sie zu Carlos schaute und sich auf einen der vier Plastikstühle in dem grell erleuchteten Zimmer setzte, lächelte sie schon wieder tapfer.
„Okay“, sagte ich, krampfhaft um gute Laune bemüht. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“, fragte ich Carlos. „Betrunken durch San Bernardino kurven und dann noch einen Unfall bauen?“
Das wenigstens musste ich gesagt haben. Meine Augen glitzerten voller Kummer und sandten Carlos die eigentliche Nachricht. Wiesowiesowieso? Estutmirleidestutmirleidestutmirleid.
Carlos verzog das Gesicht. „Ich weiß ja, Mann, ich weiß ja. Das war … einfach scheiße.“
„Super, du hast es auch schon begriffen!“
„Bitte, Jo – es ist echt früh und ich bin frisch nüchtern. Kannst du mich nachher ausschimpfen?“ Mit seinem Lächeln könnte er jedem das Herz erwärmen – aber meines war schon viel zu kalt.
Mein Gefühl sagte mir: Der eigentliche Knall stand noch bevor.
„Carlos“, begann Celine heiser. „Du hast keine Erinnerungen … an den Unfall, hast du gesagt.“
Sein Blick wurde seltsam nachdenklich – so nachdenklich, dass jeder Idiot bemerkt hätte, wie sehr er schauspielerte. Er tat nur so, als würde er versuchen, sich zu erinnern.
„Richtig“, sagte er dann.
„Wieso lügst du?“, fragte ich scharf.
Carlos schaute mich sofort fest an. Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen.
„Ich kann mich daran erinnern, Ryans Bruder gesehen zu haben – Paul. Dreiundzwanzig Jahre alt. Stockschwul“, sagte er, als würde ich es nicht schon längst wissen. „Na ja, ich kann mich auch noch daran erinnern, wie sehr ich ausgerastet bin, weil ich ihn hasse. Dann weiß ich nur noch, dass ich das Gaspedal durchgetreten habe und auf ihn zugefahren bin, um ihm Angst zu machen.“ Sein lautes, gehässiges Lachen ließ uns alle drei, seine Freunde, zusammenzucken.
„Mann, hat die Tunte geglotzt!“, rief Carlos. „Riesige erschrockene, ungläubige Augen! Erst im letzten Moment hab ich das Steuer rumgerissen. Ha! Es gab zweimal einen richtig fetten Knall. Beim ersten Mal hab ich keine Ahnung, woher der kam, beim nächsten war es wohl eine Hauswand oder ein Baum. Tja, Pech gehabt, würde ich wohl sagen. Aber ein gebrochener Arm heilt. Das war’s irgendwie wert, der Schwuchtel mal ordentlich Angst eingejagt zu haben.“
Kaum dass er seinen Satz beendet hatte, klopfte es an der Tür.
„Herein!“, rief Carlos gönnerhaft.
Zwei Polizisten traten ein.
Ich wechselte mehrere panische Blicke mit Sean und Celine. Wir waren alle leichenblass, wie Gespenster standen wir im Krankenzimmer.
„Mr Carlos Fernandez?“, fragte einer der Polizisten.
Carlos nickte selbstsicher. „Ja, der bin ich.“
„Wir ermitteln gegen Sie im Fall der fahrlässigen Tötung eines gewissen Paul Brown. Sie sind aufgefordert, die Untersuchungshaft nach Ihrer Operation anzutreten. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht zu schweigen und einen Anwalt einzuschalten.“
Ich hatte nie zuvor einen jungen Menschen gesehen, auf dessen Gesicht sich dieses pure Entsetzen abzeichnete, das nun auf Carlos’ zu sehen war.
Bekenntnisse
Noch am selben Tag wurde Carlos operiert – es war ein komplizierter Bruch. Zum Glück schienen San Bernardinos Bürger gesund und munter, sodass im Krankenhaus nicht viel zu tun war.
Sean, Celine und ich allerdings hatten viel zu tun. Erst einmal mussten wir ertragen, dass Carlos in absolutes Schweigen verfiel. Unsere tröstenden Worte, zu denen wir uns nach
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