Kellerwelt

zum Panzerchen um. „Wenn du das Gebiet hier erkunden
willst, dann bitte, tu dir keinen Zwang an. Mir ist das völlig egal. Ich will
so viel Abstand wie möglich zwischen mich und diese Kriegszone bekommen. Und
dann muss ich den Ausgang finden. Ich will nämlich hier raus."
    Er beschleunigte seine
Schritte wieder. Das Panzerchen grummelte hinter ihm etwas, das er nicht
verstand. Es interessierte ihn auch nicht. Gerade im Augenblick ließ ihm der
Drang, schnellstens von hier zu verschwinden, ein wenig Luft zum Atmen. Das
bedeutete, er baute seinen Vorsprung vor dem Entsorger aus. Diese Gelegenheit
musste er nutzen.
    „ Da vorne links", sagte
die Kleine.
    „ Was?"
    „ Links. Du versuchst schon
die ganze Zeit, eine bestimmte Richtung zu halten. Wenn wir da vorne nicht
links abbiegen, dann kommen wir nicht weiter."
    Die Ansage der Kleinen
überraschte ihn nicht, denn auch er hatte mit dem Gedanken gespielt, links
abzubiegen, anstatt dem Korridor weiter geradeaus zu folgen. Er war sich
allerdings nicht sicher, ob er diesen Weg auch tatsächlich genommen hätte.
Möglicherweise hätte er im letzten Augenblick entschieden, doch auf seinem
ursprünglichen Kurs zu bleiben. Nach der Ansage der Kleinen bog er nun aber ab.
Wenn sowohl er als auch eine Pfadfinderin das gleiche Gefühl teilten, dann
musste etwas an der Sache dran sein.
    Der Korridor knickte noch
dreimal ab - einmal links, zweimal rechts. Dann standen sie in einer Sackgasse.
Die Kleine sagte: „ Upps ."
    Das Panzerchen warf seine Arme
in die Luft und rollte mit den Augen. „ Upps .
Unglaublich, diese Eloquenz!"
    „ Mann, Panzerchen",
giftete die Kleine zurück, „das wäre uns auch passiert, wenn du Karten
gezeichnet hättest."
    „ Für eine fundierte
Kartographie hätten wir zunächst geradeaus gehen müssen, das weißt du
genau."
    „ Natürlich weiß ich
das", keifte die Kleine zurück. „Aber wenn ein Pfadfinder eine Todesfalle
oder eine Sackgasse spürt, dann sollte man unter Umständen auch mal abbiegen,
anstatt immer nur geradeaus zu rennen."
    War das zu fassen? Sie
hatten sich verlaufen und mussten schnellstens weiter, doch diese beiden Clowns
standen in der Sackgasse und gifteten sich gegenseitig an.
    „ Schluss jetzt", fuhr
er dazwischen. „Wir gehen zurück, und zwar gleich." Natürlich hätte er
sowohl die Kleine als auch sich selbst dem Kartographen gegenüber rechtfertigen
können. Schließlich hatten sie beide den gleichen Gedanken gehabt. Der Tag, an
dem er sich vor einem Zivilisten rechtfertigte, würde jedoch nicht kommen -
zumindest nicht, so lange er noch hier drin war.
    Immerhin kamen sie nach
dieser Unterbrechung wieder auf ihren ursprünglichen Kurs zurück. Der Drang,
schnellstens von hier zu verschwinden, ließ dabei mehr und mehr nach. Er wollte
zwar noch immer so schnell wie möglich hier raus, doch es eilte nicht.
Stattdessen wuchs sein Ekel vor sich selbst. Er wollte den Dreck aus der
Kriegszone von sich abwaschen - und die Erinnerung an den Liliputaner gleich
dazu.
    Er wandte sich an die
Kleine. „Wir brauchen einen Raum, in dem wir uns waschen können. Und dann
können wir meinetwegen eine Pause einlegen. Ich muss meine Waffen
überprüfen."
    Die Kleine antwortete mit
einem Schulterzucken. Dann legte sie ihren Kopf schief, als lausche sie in den
Korridor hinein. Schließlich schüttelte sie ihren Kopf. „Ich kenn' mich hier
zwar nicht aus, aber ich glaube, hier ist keine Quelle in der Nähe. Irgendwie
zieht es mich nirgendwo hin. Vielleicht müssen wir auf eine andere Ebene."
    „ Kannst du uns dorthin
bringen?"
    Ein weiteres Schulterzucken.
„Vielleicht. Glaube schon."
    Tatsächlich fand die Kleine
schon nach einer kurzen Wegstrecke ein Treppenhaus. Kaum sah er die Treppe, da
stürmte er auch schon los, geradewegs nach oben. Die Kleine rief ihm etwas
hinterher, doch er blendete ihre Stimme aus seiner Wahrnehmung aus. Er wollte
einfach nur nach oben, zum Ausgang. Doch schon auf halbem Weg zum nächsten
Stockwerk endete sein Weg. Die Treppe hörte einfach auf, als sei ein Teil davon
eingestürzt. Der Schacht des Treppenhauses führte noch gut ein Stockwerk weiter
nach oben, doch es gab keine Türen. Die Decke des Schachts verschwand beinahe
in der Dunkelheit. Hier würde er keinen Weg nach
draußen finden. Also kehrte er wieder um.
    Wie es sich zeigte, führte
das Treppenhaus in der entgegengesetzten Richtung nur ein einziges Stockwerk
weit nach unten. Dann blockierte Schutt das Weiterkommen. Also blieb ihnen
nichts