Kellerwelt
auf eine Treppe. Sie führte von der Plattform aus nach rechts oben, immer
an der Wand entlang. Von unten wehte ein Wind durch den Raum und brachte einen
Geruch nach Fäulnis und Staub nach oben.
Er zog sich von der Tür
zurück. „Was ist das?"
„ Ich habe keine
Ahnung." Die Kleine schüttelte den Kopf. „Sowas habe ich noch nie gesehen.
Bei der Siedlung hat es so etwas nicht gegeben." Sie trat einen Schritt
vor, schnüffelte in den Wind. „Könnte eine Falle sein."
Sie wagte sich noch einen
Schritt vor, ließ die Tür hinter sich und trat vollends auf die Plattform
hinaus. Dort schaute sie sich um. Schließlich schüttelte sie ihren Kopf. „Das
ist eine Falle, hundertprozentig. Viel zu dunkel. Man kann kaum etwas sehen.
Man geht nach oben" - Sie wies mit ihrem Kinn in Richtung der Treppe -
„und dort oben lauert irgendetwas. Wir sollten uns besser einen anderen Weg
suchen."
Das sah er genauso. Diese
Treppe führte zwar nach oben, doch er bevorzugte ein richtiges Treppenhaus.
Doch er wollte sich nicht abwenden. Die Kleine hatte Recht: Dieser Raum roch
buchstäblich nach einer Falle. Doch irgendwo in seinem Kopf lauerte ein
hässlich grinsender Kerl in schwarzen Kleidern, der flüsterte: „Na und?"
Er legte seinen Kopf ein
wenig schief, um besser auf diese innere Stimme zu hören. Die Kleine hatte
Recht, doch diese Stimme ebenfalls. Und wenn er dem Liliputaner Glauben schenken
durfte, dann handelte es sich bei dieser Stimme immerhin um sein wahres Ich.
Einen echten Draufgänger, im Gegensatz zu diesem Weichei, das die Drogen in
seinem Schädel erzeugt hatten. Weswegen sollte er also nicht auf seine innere
Stimme hören?
Er trat einfach einen
Schritt über die Türschwelle, ohne weiter nachzudenken. Dann praktizierte er
ein wenig Probestehen auf der Plattform. Die Kleine lamentierte hinter ihm, er
solle rasch wieder zurückkommen, doch er hörte nicht auf sie. Er stand hier in
diesem Schacht, schaute in die Dunkelheit und atmete den Fäulnisgestank ein,
der von unten zu ihm hinauf zog.
Er fühlte sich prima. Sogar
der Drang, schnellstens von hier zu verschwinden, ließ nach. Er sollte zwar
nicht hier sein, doch genau an dieser Stelle fürchtete er sich nicht davor,
erwischt zu werden.
„ Wir versuchen unser Glück
hier drin", sagte er zu der Kleinen.
„ Das ist doch jetzt nicht
dein Ernst, oder?"
Er zuckte nur mit den
Schultern und grinste. Für Diskussionen fehlte ihm die Lust. Also marschierte
er los, die Treppe hinauf. Dabei gab er sich Mühe, nicht an das Geländer zu
seiner Linken zu denken. Besser, er blendete dieses Geländer völlig aus seiner
Wahrnehmung aus und rührte es nicht an. Die vom Rost zerfressenen Streben des
Geländers würden nachgeben, sobald er es packte. Und dann würde er auf eine
sehr endgültige Art und Weise herausfinden, wie weit der Boden entfernt war.
Die Kleine folgte ihm und
schlich beinahe völlig lautlos die Treppenstufen hinauf. Er musste einmal sogar
kurz über seine Schulter schauen und sich vergewissern, ob sie noch hinter ihm
war, so leise bewegte sie sich.
Nachdem sie mehrere
Treppenstufen zurückgelegt hatten, schälte sich vor ihnen die Seitenwand des
Schachts aus der Dunkelheit. Als er nach hinten sah, konnte er den Eingang
schon nicht mehr erkennen. An der Seitenwand bog die Treppe an einem
Betonpodest im rechten Winkel ab und führte weiter nach oben, immer an der Wand
entlang. Sie stiegen weiter die Stufen hinauf.
Dabei fühlte er sich
wirklich gut. Dies hier musste einfach der richtige Weg sein. Er hatte das
Gefühl, hier könne ihm nichts und niemand etwas anhaben. Und doch gab es da
noch einen kleinen Zweifel, der sich hartnäckig an seinen Gedanken
festklammerte: Was, wenn dies hier doch eine Falle war? Was, wenn sich sein
Gefühl als Trugschluss herausstellte?
Nein! Er zwang sich, diesen
Gedanken zu ignorieren. Diese ewigen Zweifel hatten nichts in seinem Kopf
verloren. Er würde diese ewige Was-wäre-wenn-Grübelei ein für alle Mal
aufgeben. Er hatte inzwischen mehr als einmal um sein Leben kämpfen müssen -
und er hatte alle Kämpfe gewonnen. Er musste sich hier drin vor nichts und
niemanden fürchten. Im Gegenteil: Fürchten mussten sich nur die anderen - und
zwar vor ihm.
Als die Rückwand des
Schachts in Sicht kam, bügelte er seine Gedanken beiseite. Er musste sich auf
den Weg konzentrieren, denn dort vorne wartete eine Gabelung. Von der Plattform
aus führte eine weitere Treppe nach rechts oben. Nach links zweigte ein
Laufgang von
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