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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
Vom Netzwerk:
der Plattform ab.
    Die Kleine schloss zu ihm
auf. „Mann, das ist verrückt. Wie geht es denn jetzt weiter?"
    Er warf ihr einen
Seitenblick zu. „Wer von uns beiden ist hier der Pfadfinder?"
    Sie zuckte mit den
Schultern. „Keine Ahnung. Hier drin kenne ich mich nicht aus. Sowas wie das
hier habe ich noch nie gesehen."
    Die Entscheidung blieb an
ihm hängen. Also entschied er sich für die Richtung, die ihm richtig erschien:
„Wir gehen weiter nach oben."
    „ Gibt es dafür einen
bestimmten Grund oder machen wir das einfach nur so?"
    Er überlegte einen
Augenblick, bevor er antwortete: „Nach oben ist immer gut."
    So gingen sie weiter, Stufe
um Stufe. Dabei hielt er sich auch weiterhin nah an der Wand und rührte das
Geländer nicht an. Außerdem versuchte er nicht daran zu denken, welchen Weg der
Gestank von ganz unten bis hierher wohl zurückgelegt haben mochte. Falls er
abstürzte, würde er den gleichen Weg zurücklegen - allerdings in der
entgegengesetzten Richtung.
    Dann sah er die nächste
Plattform. Gleich vier Treppen zweigten von dort ab. Nach rechts oben, nach
links oben, nach rechts unten - und eine führte direkt über den Abgrund nach
oben, ohne Netz und ohne doppelten Boden. Keine Sicherung, keine Aufhängungen,
keine Stützen. Er fragte sich, welche Statik hier herrschte und welches
Material beim Bau wohl verwendet worden war.
    Auf der Plattform
verschnauften sie einen Augenblick. Das Treppensteigen ging allmählich an die
Substanz. Die Kleine schaute sich dabei um.
    „ Komm, wir gehen wieder
runter. Gleich hier rechts, würde ich sagen. Vielleicht kommen wir wieder auf
die Ebene, auf der wir angefangen haben. Ich will hier raus."
    Er konnte sich dem nicht
anschließen. Im Gegenteil - er fühlte sich in diesem Schacht ausgesprochen
wohl. Und diese Treppe über den Abgrund forderte ihn buchstäblich heraus. Das
musste er einfach ausprobieren. Er gab der Kleinen einen aufmunternden Klaps.
    „ Komm weiter. Wir schauen
mal, wie diese Hängetreppe funktioniert."
    „ Oh Mann, muss das
sein?", quengelte die Kleine.
    „ Ja, muss sein."
    Er trat auf die erste Stufe,
dann auf die zweite. Dort verharrte er einen Augenblick und wippte auf den
Fußballen, um die Treppe zusätzlich zu belasten. Das Material gab keinen
Fingerbreit nach. Er wagte sich drei weitere Stufen vorwärts und wippte erneut.
Kein Schwanken, kein Schlingern, keine Vibrationen. Die Treppe hielt. Sogar die
nüchternen Metallgeländer an beiden Seiten machten einen solideren Eindruck,
als es bei den Treppen an den Wänden der Fall gewesen war.
    Er wandte sich der Kleinen
zu, die noch immer auf der Plattform stand und zögerte. „Los, komm. Ist völlig
ungefährlich."
    Einige Stufen weiter, als er
sich immer weiter von der sicheren Plattform entfernte, erlebte er einen kurzen
Augenblick, in dem ihn sein Mut verließ. Er biss die Zähne zusammen und
überwand diesen Augenblick. Er durfte sich hier keinesfalls gehen lassen,
andernfalls hätte er sich auf den Bauch geworfen, mit den Händen an den Rändern
der Treppe festgekrallt und keinen Fingerbreit mehr bewegt. Also verbannte er
den Abgrund aus seiner Wahrnehmung und konzentrierte sich stattdessen auf die
Treppe - ein zwei Schritte breites Band aus Beton, das sich in der Dunkelheit
verlor.
    „ Oh Mann, das ist vielleicht
blöd", maulte die Kleine. Er hielt kurz an und zischte, sie solle ihren
Mund halten. Solches Gejammer konnte er gerade überhaupt nicht gebrauchen.
    „ Ich jammere ja nicht",
gab die Kleine beleidigt zurück. „Aber hör doch mal. Bleib mal stehen und hör
hin."
    Er hielt an. Die Kleine ging
ihm entsetzlich auf die Nerven. „Was ist denn?"
    Die Kleine flüsterte: „Da
ist irgendwas."
    Er drehte sich vorsichtig zu
ihr um. „Wo?"
    „ Irgendwo hinter uns. Hör
mal genau hin."
    Er tat ihr den Gefallen. Er
hörte das Rauschen des Luftzugs von unten. Er hörte seine eigenen Atemzüge. Und
wenn er sich konzentrierte, dann hörte er sogar seinen eigenen Herzschlag. Und
dann hörte er noch etwas. Ein Kratzen - irgendwo aus der Richtung der
Plattform, die sie gerade verlassen hatten.
    „ Verdammter Mist!" Er
riss das G-36C von seiner Schulter und entsicherte die Waffe. Dann packte er
den Rucksack der Kleinen und zog sie zu sich heran. An den Abgrund jenseits der
Geländer dachte er in diesem Moment nicht mehr.
    „ Geh an mir vorbei. Aber
vorsichtig, klar?"
    Sie quetschte sich an ihm
vorbei und verschaffte ihm damit freies Schussfeld nach hinten. Und er hörte
erneut

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