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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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spotten. Und der Alarm
schrillte immer lauter und lauter.
    Dennoch konnte er nicht von
diesem höflichen, zuvorkommenden Angestellten ablassen. Schließlich
beantwortete dieser Mensch seine Fragen nur nach bestem Wissen und Gewissen. Er
wollte ihm noch eine Chance geben. Vor allem wollte er sich ein genaueres Bild
davon verschaffen, mit wem er es hier zu tun hatte.
    „ Ärmel hochkrempeln",
kommandierte er. Dabei blinzelte er einen Schweißtropfen weg, der in seinen
Augenwinkel rann und die Sicht durch das Taktikvisier verschwimmen ließ.
    „ Weswegen soll ich das
tun?", fragte der Kerl zurück, ohne das Lächeln abzulegen.
    „ Weil ich ganz lieb 'Bitte bitte ' sage!"
    Der Bursche öffnete die
Manschettenknöpfe und schob die Hemdsärmel nach oben. Zuerst den linken, dann den
rechten.
    „ Weiter. Ich will deine
Armbeugen sehen."
    Der Kerl gehorchte. Offenbar
bereitete es ihm sogar Freude, seine Anweisungen zu befolgen, denn der Bursche
lächelte noch immer, als sei er der Star in einer Zahnpastawerbung .
    Als er seinen Blick von der
Zielvorrichtung des G-36C löste und auf die Armbeugen des Angestellten
richtete, entdeckte er dort nichts. Weder Einstiche noch andere
Hautunreinheiten. Nicht einmal einen winzigen Leberfleck konnte er ausmachen.
Allmählich wurde ihm die Sache unheimlich - und doch fühlte er sich bei diesem
höflichen Menschen auf eine verrückte Weise wohl und geborgen. Wenn nur dieser
Druck in seinem Kopf nicht gewesen wäre.
    „ Was bist du für ein
Typ?"
    „ Ich bin … oh, ich richte
zuerst wieder meine Kleidung, wenn sie gestatten." Der Angestellte
fummelte an den Ärmeln seines Hemdes herum, bis er die Manschettenknöpfe wieder
geschlossen hatte. Dann fuhr er fort: „Wie eingangs bereits erwähnt: Ich bin
Buchhalter. Ich …"
    „ Wie lange bist du schon
hier?"
    „ Ich arbeite hier seit Dienstbeginn.
Meine Arbeit lässt mir keine Gelegenheit, auf die Uhr zu schauen. Die
Buchhaltung ist zeitlos, wissen sie? Es geht alleine darum, den Abschluss
rechtzeitig bis zum Abgabetermin zu erstellen. Deswegen würde ich jetzt auch
gerne weiter arbeiten, wenn sie gestatten. Und vielleicht könnten sie aufhören,
diese Waffe auf mich zu richten. Das ist meiner Konzentration nicht unbedingt
zuträglich - und Fehler kann ich mir nicht erlauben."
    „ Für wen arbeitest du?"
Eine Frage jagte die nächste. In seinem Kopf herrschte inzwischen Alarmstufe
Rot, doch er wollte sich nicht von diesem netten Menschen lösen. Es wäre nicht
recht gewesen, den Angestellten einfach zu verlassen, ohne alle wesentlichen
Sachverhalte geklärt zu haben - auch wenn ihm dieser Druck hinter seinen
Schläfen allmählich wirklich zu schaffen machte.
    „ Natürlich für meinen
Abteilungsleiter", antwortete der Angestellte. „Sie verstehen, ein
Unternehmen wie dieses hier benötigt eine gewisse Struktur. Einen
organisatorischen Überbau. Deswegen wurde das Unternehmen in einzelne
Abteilungen untergliedert. Eine davon ist die Buchhaltung, für die unter
anderem ich zuständig bin. Und ich müsste nun wirklich wieder zu meinen
Geschäftsvorgängen zurückkehren, wenn sie gestatten. Oder haben sie noch eine
Frage?"
    Natürlich hatte er noch
Fragen, doch er wollte sie nicht stellen. Er wollte weg von hier. Er musste weg
von hier. Neben dem Druck in seinem Kopf meldete sich inzwischen auch wieder
der Drang, schnellstens von hier zu verschwinden. Außerdem rann ihm der Schweiß
inzwischen in Strömen über das Gesicht. Dieser Angestellte stellte irgendetwas
mit ihm an, übte irgendein Voodoo aus, das er nicht begreifen und dem er sich
nicht entziehen konnte. Nicht einmal sein Zeigefinger gehorchte ihm mehr und
hielt den Druckpunkt des Abzuges, als sei er in dieser Haltung eingefroren.
    Und nun hatte ihm dieser
Angestellte auch noch ein Stichwort gegeben, das er nicht ignorieren konnte. Er
konnte nicht anders, er musste eine weitere Frage stellen: „Was ist das für ein
Unternehmen?"
    Der Angestellte lächelte
weiter und breitete seine Arme aus - eine Geste, die das gesamte Labyrinth
einzuschließen schien. Er hätte vor Schreck beinahe den Abzug durchgezogen,
doch sein Zeigefinger rührte sich nicht von der Stelle. Selbst wenn er es
gewollt hätte, er hätte nicht schießen können.
    „ Es ist ein sehr großes
Unternehmen", erklärte der Angestellte, in dessen Stimme eine gehörige
Portion Stolz mitschwang. Offenbar stand dieser Kerl rückhaltlos hinter seinem
Arbeitgeber. „Sie werden von diesem Konzern schon gehört haben. Er

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