Kellerwelt
dran."
Sie gingen zu den beiden
nebeneinander liegenden Türen. Auf beiden Türen hatte jemand Strichmännchen
gedruckt. Eine Figur symbolisierte einen Mann, die andere Figur symbolisierte
eine Frau. Er hätte bei diesem Anblick beinahe laut aufgelacht. Doch er
beherrschte sich und öffnete stattdessen vorsichtig die Tür mit dem männlichen
Symbol. Als er dahinter keine Todesfalle entdeckte,
sondern genau das, was er erwartet hatte, stieß er die Tür weit auf.
„ Überraschung!"
Die Kleine ließ ihren Blick
durch den Raum schweifen. Zwei abschließbare Kabinen mit Toiletten, ein
Waschbecken, Toilettenpapier, Seife. Es herrschte einige Unordnung. Das
Toilettenpapier lag abgerollt am Boden und die Flüssigseife triefte vom
Waschbecken herab, doch es war alles vorhanden, was zu einer richtigen Toilette
gehörte. Außerdem gab es kaum Schmutz. Dennoch verzog die Kleine keine Miene.
„ Was soll das denn
sein?"
Seine Kinnlade klappte nach
unten. Was redete die Kleine da? Wusste sie etwa nicht zu schätzen, was sie
hier entdeckt hatten? Er holte tief Luft, um das Mädchen ordentlich zur Sau zu
machen - und atmete gleich darauf wieder aus. Als er den fragenden Blick der
Kleinen sah, wurde ihm klar: Sie wusste tatsächlich nicht, womit sie es hier zu
tun hatte.
Und genau das brachte ihn
wieder in Rage. Diese verdammten Kühe wussten wirklich überhaupt nichts. Keine
Bildung, keine Eigeninitiative. Wenn man nicht für sie mitdachte und ihnen
alles vor die Füße trug, dann hörten sie einfach auf zu funktionieren.
Doch seine Freude über die
Entdeckung der Toilette ließ seinen Ärger weit genug in den Hintergrund treten,
um die Kleine nicht zur Schnecke zu machen. Stattdessen zwang er sich zu einem
Grinsen und erklärte: „Das ist eine Toilette. Eine Latrine. Und mit dem Zeug
auf diesen Rollen kann man sich den Hintern abwischen, wenn man fertig ist. In
diesem weißen Becken da drüben gibt es fließendes Wasser."
Um seine Worte zu
unterstreichen, trat er in den Raum und betätigte den Wasserhahn. Dieser erlitt
zwar einen mittelschweren epileptischen Anfall, gab dann jedoch einen stetigen
Strom klaren Wassers von sich. Die Kleine nickte anerkennend und sah sich dann
die Toiletten an.
„ Das ist ja echt cool",
sagte sie dann. „Das hätten wir auch in der Siedlung gebraucht. Dann hätten wir
nicht alle zusammen in einem Raum sitzen müssen. Das war manchmal ganz schön
eklig, weißt du?"
Er grinste und deutete auf die
Trennwände der Toilettenkabine, die den Boden und die Decke nicht ganz
erreichten. „Kann hier auch passieren", sagte er dann. „Aber wenigstens
weiß man nicht, wer den Gestank neben einem produziert."
So verbrachten Sie zunächst
einige Zeit damit, die Toiletten zu benutzen und sich anschließend zu waschen.
Dabei teilten sie sich rollengerecht auf die Damen- und die Herrentoilette auf.
Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte, doch er hieß den kleinen Augenblick
Privatsphäre durchaus willkommen. Er sollte sich beeilen, mit diesem Entsorger
fertig zu werden oder den Ausgang zu finden. Dann konnte er sich endgültig von
der Kleinen trennen und sich wieder um seine eigenen Angelegenheiten kümmern,
anstatt für eine Kuh mitzudenken.
„ Und jetzt suchen wir uns ein
gemütliches Büro, in dem wir eine Runde schlafen können", sagte er, als
sie sich im Korridor wieder trafen. „Wenn mich mein Gefühl nicht trügt, dann
haben wir ein wenig Zeit. Die sollten wir nutzen."
Sie zogen wieder los und
spähten in jedes Büro, das sie passierten. Dabei bewegten sie sich willkürlich
durch das Labyrinth der Korridore und wählten ihren Weg nach Gefühl. Er genoss
die Zeit in dieser Umgebung. Zwar herrschten auch hier Chaos, Zerstörung und
Verwahrlosung, doch es sah nicht ganz so schlimm aus wie in den tieferen
Etagen. An eine Falle glaubte er inzwischen nicht mehr. Wären hier irgendwelche
Höllenmaschinen aktiv gewesen, dann wären sie längst angegriffen worden. Alles,
was zu seinem Glück noch fehlte, war ein passender Schlafplatz, der ein wenig
Deckung bot. Doch alle Büros waren von außen leicht einsehbar.
Dann sah er den Mann am
Schreibtisch.
Im ersten Moment konnte sein
Gehirn nicht recht einordnen, was seine Augen sahen. Mit allem hatte er
gerechnet - mit Selbstschussanlagen, mit Killerrobotern, mit maskierten
Mördern. Doch ein Mann im Anzug, der an einem Schreibtisch saß und Papiere
ordnete, passte nicht in seine Erwartungen. Und genau einen solchen Menschen
hatte er nun vor sich:
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