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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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„Ich
suche den Kerl, der dir die Fresse poliert hat. Wo ist der hin?"
    Der Knochenkauer nahm die
Hände herunter und sah zu ihm auf. Zu seiner Überraschung begann der Mann
plötzlich zu lachen. „Noch so einer, haha", nuschelte der Knochenkauer.
„Kommt mal her, hier is noch so einer. Heut' kommt
alles zum Essen, haha."
    Oha. Der Kerl war verrückt
geworden. Völlig durchgedreht. Auch aus diesem Menschenfresser würde er keine
Informationen herausbringen.
    Das durfte doch nicht wahr
sein! Er war dicht davor, seine Waffe vor lauter Wut auf den Boden zu
schmettern. Doch er beherrschte sich im letzten Augenblick. Es gab bessere
Wege, um sich abzureagieren. Also begann er, auf den Knochenkauer einzutreten.
Bereits der erste Tritt ließ das hysterische Gestammel des Mannes verstummen.
Alle weiteren Tritte dienten nur doch dazu, seine Wut verrauchen zu lassen.
    Irgendwann fühlte sich der
Knochenkauer matschig an und zuckte nicht mehr. Das Treten machte auch keinen
rechten Spaß mehr. Außer ihm hielt sich kein lebendes Wesen mehr im Lichtkreis
des Feuers auf. Zeit, sich wieder um sein Primärziel zu kümmern. Also
marschierte er in das Labyrinth der Katakomben hinein und setzte seine Suche
fort.
    Inzwischen hatten die anderen
Knochenkauer offenbar von seiner Anwesenheit hier unten Notiz genommen. Neben
dem Schuss, den er abgefeuert hatte, war sicherlich auch die Frau, die ihm
entkommen war, für das Verbreiten der Neuigkeit verantwortlich. Das Resultat:
In welche Richtung er sich auch wandte, er begegnete keinem Menschen mehr –
sofern man diese Kreaturen überhaupt als Menschen bezeichnen konnte.
    Wenn er Halt machte, um zu
lauschen, dann hörte er bestenfalls Geräusche, die sich von ihm entfernten. Und
auch von seiner Zielperson fehlte jede Spur.
    Er musste sich vorsehen.
Wenn seine Zielperson es geschickt anstellte, dann konnte sie hier unten ewig
Katz und Maus mit ihm spielen – oder ihm sogar eine Falle stellen.
    Dann sah er den Durchgang.
Er sah die Stufen dahinter und er wusste, er hatte es mit einem Fluchtweg zu
tun. Er fragte sich nur, weswegen dieser Durchgang nicht in seinen Erinnerungen
auftauchte.
    Er wusste von einem geheimen
Fluchtweg, der hinter einer Wand verborgen lag, gesichert mit einem versteckten
Öffnungsmechanismus. Dabei handelte es sich um einen Ausweg, der ausschließlich
für Fachpersonal zur Verfügung stand. Diesen Weg würde er nehmen, um das
Gefängnis der Knochenkauer zu verlassen. Doch von dem Durchgang hier wusste er
nichts. Er hatte keine Ahnung, wohin diese Stufen führten.
    Eine zweite, tiefer gelegene
Ebene der Katakomben kannte er nicht. Eigentlich ein Unding. Als Entsorger
musste er alle Wege kennen. Ansonsten hätte das Sichtgerät falsche oder nicht
vollständige Daten in sein Gehirn übertragen. Doch diese Möglichkeit musste er
ausschließen. Dem Sichtgerät unterliefen keine Fehler.
    Weswegen fehlten die Daten
dann? Es gab nur eine logische Erklärung: Dieser Durchgang tauchte in seinen
Erinnerungen nicht auf, weil er ihn nicht benutzen konnte. Das Sichtgerät hatte
hierzu keine Daten übertragen, weil dort unten eine Gefahr lauerte, mit der
nicht einmal ein Entsorger fertig wurde.
    Das musste es sein. Diese
Erklärung fühlte sich richtig an. Also entschied er, sich nicht weiter um den
Durchgang zu kümmern. Wenn er ihn nicht benutzen konnte, dann konnte es auch
sonst niemand. Besser, er machte sich keine weiteren Gedanken über diesen
Durchgang und suchte stattdessen weiter nach seiner Zielperson.
    Als er sich vom Durchgang
abwandte, fiel ihm die Suche viel leichter. Das kurze Intermezzo mit den
Treppenstufen hatte seine Wut weitgehend verrauchen lassen. Diesen Moment der
Klarheit musste er nutzen, um seine Suche zu strukturieren. Wenn er kein System
in sein Vorgehen brachte, dann würde er seine Zielperson hier unten niemals
aufspüren. Also entschied er, zum zentralen Feuerplatz zurückzukehren. Dort
konnte er sich neu orientieren und sein weiteres Vorgehen planen.
    Als er den zentralen
Feuerplatz erreichte, fand er dort zu seiner Überraschung einen einsamen
Knochenkauer vor, der am Feuer kauerte. Der Kannibale schien auf ihn zu warten
und hob seine Hand zum Gruß, als er in den Lichtkreis des Feuers trat.
    „ Friede, Mann", sagte
der Knochenkauer. „Alles easy. Kein Grund, irgendwelchen Stress zu machen.
Alles klar?"
    Hätte der Knochenkauer
geahnt, welche Gefühle er damit bei ihm auslöste, dann hätte er geschwiegen und
sich schleunigst aus dem Staub

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