Kellerwelt
Entsorgers
möglich. Nur ein Entsorger kannte die versteckten Wege, auf denen man die
Katakomben verlassen konnte.
Das nahm er zumindest an.
Und sobald er seine Aufgabe
erfüllt und die Zielperson entsorgt hatte, würde er sich um die Katakomben
kümmern. Zunächst würde er die Knochenkauer entsorgen – eine Arbeit, die schon
lange hätte erledigt werden müssen. Danach konnte der Wiederaufbau beginnen.
Doch darum würden sich andere kümmern. Der Aufbau gehörte nicht zu seinen
Aufgaben. Er hatte ausschließlich zu entsorgen. Und das würde er genießen. Er
würde es genießen, jedem Knochenkauer die Gliedmaßen einzeln auszureißen.
Bevor er sich vollends der
Vorfreude hingab, konzentrierte er sich wieder auf seine Aufgabe. Zunächst
begab er sich zur zentralen Feuerstelle der Knochenkauer. Es bereitete ihm zwar
einige Mühe, sich an den Weg dorthin zu erinnern, doch er fand die richtige
Richtung.
Beim Download schien
tatsächlich etwas schiefgegangen zu sein. Normalerweise hätte das Wissen sofort
abrufbar sein müssen. Zumindest vermutete er das. Er hatte jedoch das Gefühl,
als habe ihm das Sichtgerät überhaupt nichts vermittelt. Stattdessen hatte er
den Eindruck, die Wege hier unten schon immer gekannt zu haben – so, als sei er
schon mehr als einmal hier gewesen. Doch er konnte sich nicht bewusst daran
erinnern.
Außerdem würde dies
bedeuten, die Erinnerungen stammten aus ihm selbst und nicht aus dem
Sichtgerät. Das konnte er sich nicht vorstellen. Beim besten Willen nicht.
Als plötzlich ein
Knochenkauer direkt vor ihm auftauchte, lenkte ihn sein eigener Zorn zu sehr
ab, als dass er hätte reagieren können. Der Knochenkauer – eine Frau – stieß
einen spitzen Schrei aus, drehte sich um und türmte in die entgegengesetzte
Richtung. Zurück blieb nur eine unsichtbare Wolke aus Gestank.
Bevor er seine Waffe in
Anschlag bringen konnte, verschwand die Frau bereits um die nächste Abzweigung.
Er setzte ihr sofort nach. Er würde sich diese Schlampe schnappen und seine Wut
an ihr auslassen. Doch bereits nach zwei Ecken hielt er wieder inne. Er würde
sie nicht mehr einholen. Keine Chance. Nicht in diesem Labyrinth. Es gab
einfach zu viele dunkle Ecken, in denen sie sich verstecken konnte. Ihm fehlte
die Zeit, jeden Winkel zu durchsuchen. Außerdem entfernte er sich immer weiter
von der zentralen Feuerstelle.
Er nahm seine linke Hand von
der Waffe und ballte sie zur Faust. Nun war ihm sogar ein Knochenkauer
entwischt. Ein Untermensch, der bald verhungern würde, hatte einen Entsorger
abgehängt – das musste man sich einmal vorstellen! Dafür würde er jemanden bezahlen
lassen. Die erstbeste Person, die ihm begegnete, würde den Preis für alles
bezahlen, was in der letzten Zeit schiefgegangen war!
Den ersten Kandidaten für
seine Vergeltungsmaßnahmen fand er, als er die zentrale Feuerstelle erreichte.
Dort lag ein Knochenkauer auf dem Boden und wimmerte, während er sein rechtes
Handgelenk umklammerte. Das Gesicht des Knochenkauers war angeschwollen und mit
Blut verschmiert.
Er trat an den Kannibalen
heran. Dieser Knochenkauer konnte ihm nicht mehr von Nutzen sein. Informationen
würde er aus diesem Untermenschen nicht mehr herausbekommen. Und abreagieren
konnte er sich an diesem Kerl auch nicht mehr – das hatte bereits jemand
anderes getan. Er wusste genau, wer das gewesen war.
Diese kannibalischen
Dummköpfe hatten sich mit seiner Zielperson angelegt, ohne zu ahnen, womit sie
es zu tun hatten. Nun, dieser Knochenkauer hier wusste jetzt Bescheid. Für
einen Entsorger blieb nichts weiter zu tun, als den Job zu Ende zu bringen.
Er hob das AKS-74U, schob
den Feuerwähler in die erste Raste und feuerte einen Schuss in den Hinterkopf
des Knochenkauers. Das Wimmern des Mannes verstummte.
Der Schuss hatte seinem
Gehör zwar zugesetzt, doch er vernahm dennoch einen Aufschrei aus der
Dunkelheit, jenseits des Feuers. Dem Klang der Stimme nach hatte er jemanden
einen gewaltigen Schrecken eingejagt.
Dann wollte er doch einmal
nachsehen, mit wem er es zu tun hatte. Er marschierte am Feuer vorbei und traf
schon bald auf einen Knochenkauer, der mit dem Rücken gegen eine Backsteinwand
gelehnt saß und sich die Hände schützend vor sein Gesicht hielt. Dem Blut nach
zu urteilen, das aus der Nase des Kannibalen getropft war, hatte auch dieser
Knochenkauer eine Begegnung mit der Zielperson hinter sich.
Er stieß den Kannibalen mit
der Stiefelspitze an und richtete seine Waffe auf den Kopf des Mannes.
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