Kellerwelt
Schießerei losging, dann würde auch er ins Fadenkreuz dieses
Irren geraten. Außerdem wusste er nicht, ob sich die alte Aufgabe des
Entsorgers wieder reaktivierte, wenn dessen ehemaliges Ziel plötzlich wieder in
Reichweite geriet.
Falls dieses Gefühl nicht
nachließ, dann würde er sich die Pfadfinderin schnappen, sobald sie wieder hier
auftauchte - ob mit Begleitung oder ohne. Er würde ihr einschärfen, nach einem
Ausweg zu suchen und dann schauen, was passierte. Wenn alle Stricke rissen,
dann musste er sein Glück eben noch einmal in der Kriegszone versuchen. Er zog
es vor, dort im Kampf zugrunde zu gehen, anstatt vom Entsorger hingerichtet zu
werden. Und er musste schnell handeln. Tat er das nicht, dann würde der
Entsorger über die Siedlung herfallen wie ein Knochenkauer über eine frische
Leiche.
Im Grunde konnte es ihm egal
sein. Es gab nur wenige Dinge, die er so sehr verachtete wie die Bewohner der
Siedlung. Sie zeigten weder Interesse noch Motivation, irgendetwas zu tun. Sie
stellten keine Fragen, sie dachten weder über sich noch über ihre Situation
nach. Stattdessen lebten sie einfach vor sich hin und taten, was immer sie auch
für ihre Aufgabe hielten. Sie benahmen sich wie Nutzvieh. Wie tumbe Kühe. Ohne
eine Hand, die sie führte, würden sie nur noch sinnentleerte Dinge tun - immer
und immer wieder, wie es ihre ursprüngliche Programmierung vorsah. Der
Entsorger würde unter ihnen wüten wie ein Wirbelsturm und die gesamte Siedlung
in einen Friedhof verwandeln.
Ja, er verachtete die
Siedler. Doch dummerweise brauchte er sie dringender
als sie ihn. Seit er die Suche nach einem Ausgang abgebrochen hatte, fand er
keine Nahrung mehr. Er fand überhaupt nichts mehr. Er wusste, das war die
Strafe für seinen Ungehorsam. Erst wenn er seinem ursprünglichen Auftrag wieder
nachging, würde er in den unbewohnten Räumen außerhalb der Siedlung wieder etwas
finden. Bis dahin musste er die Kühe dazu bringen, Lebensmittel, Kleidung und
Munition für ihn zu beschaffen. Das funktionierte recht gut. Er musste ihnen
nur vorgaukeln, er verfüge über eine Art Masterplan. Außerdem musste er sich
die kleinkarierten Sorgen und Nöte dieser Pfeifen anhören. Glücklicherweise
ließen sich die meisten Probleme, mit denen diese Kühe zu ihm kamen, mit ein
klein wenig Hirn und Cleverness lösen. Meistens ging es um Fälle von
Verfolgungswahn. Diese Kühe glaubten dauernd, irgendwelche Dinge draußen in den
Korridoren zu sehen. Dann musste er einen Trupp zusammenstellen und diesen auch
noch selbst anführen, weil er als einziger eine Waffe trug. Natürlich blieben
solche Suchaktionen immer ohne Ergebnis, denn in den Korridoren rings um die
Siedlung gab es nichts und niemanden.
Dann gab es noch einige
Schussel, die irgendwelche Dinge nicht mehr fanden und glaubten, sie seien
beklaut worden. Diese Dinge tauchten dann jedoch meist wieder auf oder ihr
Verbleib klärte sich auf andere Weise. Einen echten Diebstahl hatte hier noch
niemand riskiert.
So blieben schließlich noch
die Beschwerden über das Orakel. Genau damit textete ihn gerade dieser
Beschaffer zu. Das Orakel lief einfach ein ganzes Stück neben der Spur. Es
redete merkwürdige Sachen daher und stellte viele Dinge in Frage. Das machte
den Kühen Angst, denn sie mochten es nicht, wenn jemand die Dinge hier in Frage
stellte. Damit waren sie schließlich gezwungen, sich über ihre Existenz
Gedanken zu machen - und damit waren die Kühe nun einmal völlig überfordert.
Also war es an ihm, die Kühe wieder ruhig zu stellen, wenn sich das Orakel
einen Ausfall geleistet hatte.
Er konnte also nur abwarten,
bis seine beste Pfadfinderin wieder hier auftauchte. Wenn alles gut ging, dann
schaffte es ihre Zielperson nicht bis hierher und der Entsorger würde wieder in
den Tiefen des Labyrinths verschwinden. Dann konnte er wieder in aller Ruhe die
Kühe auf ihre sinnlosen Missionen schicken und sich selbst in aller Gemütsruhe
volllaufen lassen. Falls es die Zielperson aber bis hierher schaffte, dann
musste er sich etwas einfallen lassen. Bis dahin blieb ihm nur, gute Miene zum
blöden Spiel zu machen und sich das Gejammer dieses Schwachkopfes von einem
Beschaffer anzuhören. Schließlich war er der Chef und hatte immer Zeit für
seine Leute.
Er lutschte an der Flasche
und schenkte seinem Gegenüber ein breites Grinsen. „Ich bin ganz Ohr."
Spinnen
Weiter. Und immer weiter.
Er spürte seit einiger Zeit
eine Vibration. Anfangs glaubte er, sein Kreislauf spiele
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