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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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mineralhaltiger Gischt. Anukis trat unerschrocken in diesen Wind, der aufreizend an ihrer Kapuze zupfte, und blieb neben dem Lagerhausblock auf den Messingdocks stehen. Sie blickte nach rechts, wo riesige Frachter aus Messing und Bronze vor Anker lagen und im Wasser dümpelten, dazu Handelsschiffe und kleinere Schiffe der Marine, von denen viele verlassen und stumm dalagen. Auf einigen wenigen brannten die winzigen, gelben Lichter von Ölfettlampen. Vorsichtig ging Anukis durch eine schmale Gasse und betrat ein Labyrinth aus Gängen und Stufen, wobei sie geschickt einer komplizierten Route folgte, die sie schließlich zu einer steilen, dunklen Treppe führte.
    Aus der Tiefe fauchte ein eisiger Wind herauf; Anukis eilte die glatten Granitstufen hinab und wurde erst langsamer, als sie den Boden erreichte. Sie sah die Armbrust, noch bevor der Schwarzlippler auftauchte. Die Waffe war gespannt, und der Mann wirkte wachsam, aber hinter seinen schwarz gefleckten Lippen schimmerten seine Zähne, als er grinste.
    »Wo willst du denn hin, meine Schöne?«
    »Ich habe etwas Geschäftliches mit Preyshan zu erledigen.«
    Der Schwarzlippler trat aus dem Schatten, und jetzt sah Anukis, dass er ein sogenanntes BlutBlut war; denn nicht nur seine Lippen waren von diesem mächtigen Rauschgift schwarz gefärbt, sondern sogar die Adern unter seiner Haut hatten diese Färbung angenommen; sie bildeten ein diffuses Netz aus Venen und Adern unter seiner blassen, weißen Haut. Anukis fröstelte unwillkürlich; wer so aussah, musste dem Tod bereits sehr nahe sein. Bereit für das, was »Letzte Seelenreise« genannt wurde.
    Der Mann sah, wie sie sich schüttelte, und lächelte. »Gräm dich nicht wegen mir, meine Hübsche. Ich habe ein gutes Leben gehabt. Mein Paradies wartet bereits auf mich.«
    »Ein Paradies, in dem das Blutöl nur so fließt?«
    Die Armbrust zuckte in ihre Richtung, und der Mann kniff die Augen zusammen. »Eine wie du, meine Schöne, sollte nicht ganz so vorlaut ausgestoßene Vachine verdammen.«
    Nur war sie gar keine Ausgestoßene.
    Und zwar, weil … Aber gut, die Vachine wussten es nicht … noch nicht.
    Doch wenn die Uhrwerker ihre Unreinheit entdeckten?
    Sie hatte gehört, dass sie für solche Fälle ganz besondere Kammern unterhielten …
    Anukis schüttelte sich ein drittes Mal und drängte sich an dem höhnisch grinsenden Schwarzlippler vorbei. Sie spürte seinen stinkenden Leichenatem auf ihrem Gesicht, während er seinen Körper gegen ihren presste, als sie vorbeiging. Seine Muskeln unter der von schwarzen Venen gezeichneten Haut waren überraschend kräftig, fast eisenhart. Sie eilte weiter, ging mehr und mehr Stufen hinab und drang tief in ein Labyrinth aus Gängen ein, die mit Messing verkleidet waren und schließlich glatt den aus Gestein gehauenen Tunneln wichen. Einige von ihnen waren überflutet. Immer wieder traten ihr Schwarzlippler in den Weg und sprachen sie an, wollten wissen, wohin sie wollte; Anukis musste etliche Male ihren magischen Passierschein benutzen, den Namen Preyshan. Er war einer der drei Könige der Schwarzlippler.
    Als sie schließlich das Labyrinth unter dem Fluss Silva betrat, hörte sie ein fernes Dröhnen. Angeblich wurde dieses Geräusch von den Seelen der Ertrunkenen erzeugt, die gegen das Flussbett schlugen, auf dass ihre Geister freigelassen würden. Anukis ging weiter und fuhr dabei mit den Fingern über die glatte Felswand, wo Flöze von Kristall und blutroten Mineralien zu sehen waren, die in dem Schein der in unregelmäßigen Abständen angebrachten Ölfettlampen glitzerten.
    Der Gang endete vor einem eisernen Tor. Sie nannte ihren Namen, und als das Tor aufschwang, gab es einen Blick auf eine lange, niedrige Kammer frei, in der sich etwa fünfzig Männer sowie eine Handvoll Frauen versammelt hatten. Viele von ihnen waren Schwarzlippler, einige stammten aus dem Süden, von jenseits der Berge; es waren Kuriere von Falanor, die einen Eid geschworen hatten, kein Blutöl oder seine Derivate zu benutzen, um stattdessen gewaltige Profite mit dem Schmuggel dieser Substanz zu erzielen. Sie berauschten sich an Gold, nicht an Blutöl.
    »Anu!«, rief Preyshan dröhnend und trat vor. Er überragte die Vachine um Haupteslänge und strahlte Anukis an. Seine Lippen waren pechschwarz, befleckt von Blutöl, seine Augen blau und riesig. Er hatte einen buschigen, schwarzen Bart, und nicht einmal die billige Marktkleidung tat seiner mächtigen Ausstrahlung Abbruch. »Es ist schon so lange her,

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