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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Schulter, wo die wilden Krieger der Vachine die letzten Schwarzlippler mit einer Brutalität erledigten, dass sich die Wände der Höhle blutrot färbten. Die Kammer war übersät mit zerstückelten Leichen. Die Vachine gaben ein leises, metallisches Jaulen von sich und machten sich mit hervorstehenden Reißzähnen daran, ihre Beute zu verzehren.
    Vashell beugte sich vor. Sein süßlicher Atem schlug Anukis ins Gesicht. »Genauso wie du«, fuhr er dann fort.

4
    CANKER
    Kell trieb in einer Welt von Dunkelheit, einem Meer aus dunklem Öl, Laternenöl, Fischöl, Blutöl, unraffiniertem Öl, einer zähen Masse aus Eingeweiden und dem dicken Sirup, aus dem die Schlachter ihre schmackhafte schwarze Sülze herstellten … Er schloss die Augen, öffnete sie dann wieder, wobei er einmal langsam tief ein- und wieder ausatmete – denn das hier war ein Traum, und das wusste er, und da es ein Traum war, konnte es nicht real sein. Aber wenn es nicht real war, warum zum Teufel fühlte sich Ilanna dann so verflucht kalt in seinen Händen an?
    Du musst mich reinlassen , sagte sie.
    Ihre Stimme war ebenfalls kühl, klang wie ein metallisches Seufzen, wie das Summen von Bienen in ihrem Stock, das Krabbeln von Ameisen in ihren Nestern. Er erschauerte und verspürte Angst; aber nicht die Furcht wie bei einer Wirtshausprügelei, welche einen Adrenalinstoß zur Folge hatte, ebenso wenig die schreckliche, bis ins Mark dringende Panik, wenn man irgendwo an einer hohen Felswand baumelte und versuchte, mit seinen Stiefeln an dem vereisten, glatten Gestein Halt zu finden. Dabei war es vollkommen klar, dass die Felsen und die natürlichen Stacheln aus spitzen Steinen, ja, der Berg selbst keine Gnade zeigen würden, wenn man fiel, sondern einem nur einen harten, schnellen und kalten Tod bereiteten. Nein, diese Angst war anders, seltsam, eine irgendwie raffinierte Angst; es war die Furcht, die einem das Wissen einflößte, die Furcht vor einem Verlust. Es war Ilanna, die durch Blut an ihn gebundene Streitaxt, und sie hatte die Kontrolle über ihn. Mehr als das. Sie wusste, dass sie die Kontrolle hatte, wusste, dass sie diese Schlacht immer gewinnen würde.
    Nein! Kell runzelte die Stirn und ballte die Fäuste. Er schien die Axt einzuatmen, ihr Metall, den moschusartigen Duft ihres Eisenöls, den Gestank von altem Blut, der fast wie ein Parasit an ihrem Schaft klebte, ihren Klingen, ihren Schneiden. Er atmete tief das Parfüm der Axt ein. Das Aroma des Todes. Den Leichengestank von Ilanna.
    Aber du musst es tun, flehte sie, ich bin Il A nna, ich bin der Honig in deiner Seele, ich bin die Butter auf deinem Brot, der Zucker in deinem Apfel. Ich mache dich erst zu dem, was du bist, Kell. Ich bringe das Beste in dir zum Vorschein, ich erwecke den Krieger in dir.
    Nein!, erwiderte er stumm. Du erweckst den Mörder in mir.
    Und genau das ist es, was du schon immer wolltest , gab sie zurück.
    Ich habe noch nie das gewollt, was du mir zu bieten hast .
    Du lügst! Wäre ich aus Fleisch und Blut und Knochen, wärest du schneller in meinem Bett gelandet als ein betrunkener Ehemann in dem einer Hure. Aber ich bin aus Stahl, mit scharfen Klingen, und giere nach Blut. Und du hast alles genommen, was ich dir geboten habe, Kell, mein Süßer; du hast mein Geschenk der Dunkelheit akzeptiert, meine Gabe der Grausamkeit, und damit hast du dein eigenes Leben gerettet. Aber so etwas hat einen Preis, wie alles einen Preis hat, und du weißt, dass du mich freilassen musst, dass du mich wieder in diese Welt hineinlassen musst.
    Kell lachte. Ich muss?, antwortete er in diesem inneren Dialog. Wörter wie müssen klingen sauer in meinem Kopf, wie vergorener Wein; sie scheinen mir den Schädel zu spalten mit ihren – er genoss das Wort – Anweisungen. Was wäre, wenn ich jetzt den höchsten Gipfel der Schwarzspitzen erklimmen würde, Ilanna? Und dich in einen Spalt werfen würde, in eine Schlucht, eine dieser abgründigen Höhlen, die nur die verrücktesten Forscher jemals zu Gesicht bekommen? Dann wärst du erledigt, Mädchen, meinst du nicht auch? Kell grinste. Nie wieder Blut schmecken, nie wieder Knochen zertrümmern. Nur Dunkelheit, Eis und das Tröpfeln von Wasser, während die Jahrhunderte verstreichen.
    Du möchtest also sterben, Kell? Ihre Stimme klang wie ein wundervolles Schlaflied, so musikalisch, dass sie Kell in besseren Zeiten zweifellos in ihr Bett gelockt hätte. Schon oft hatte sich Kell die Frau hinter dieser Stimme ausgemalt. Er verbesserte sich. Den

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