Kells Legende: Roman (German Edition)
Händen hielt. »Wir müssen das Vieh töten.«
Unvermittelt tauchte der Canker auf und zertrümmerte mit seinen mächtigen Kiefern den Bug des Bootes. Saark rannte mit einem Schrei los, das Schwert gezückt, als die Bestie den Kahn losließ und angriff. Der Canker packte kurzerhand die Beine des Mannes und zerrte ihn über Bord. Saarks Körper prallte einmal auf den Bug und verschwand plötzlich über den Rand des Bootes …
Dann war alles ruhig.
Der Fluss rauschte an ihnen vorbei, und das aufgewühlte Wasser beruhigte sich.
»Saark!«, kreischte Katrina. Aber der Mann blieb verschwunden.
Mit einem Fluch ließ Kell seine Axt auf den Boden des Kahns fallen und sprang in den schwarzen Fluss. Im selben Moment wurde er von Dunkelheit verschluckt, von einem tosenden Strom, in dem sich der gesammelte Schmutz von Falanors größter nördlicher Stadt vereinigte. Er sank nach unten, konnte jedoch weder Saark noch den Canker sehen. Kell schwamm mit kräftigen Stößen weiter, tiefer hinab, und zog dabei seinen Svian aus der Scheide unter seinem Arm; hier unten war Ilanna nutzlos. Was ein Krieger hier brauchte, war eine kurze, scharfe Waffe, mit der er zustechen konnte …
Wo ist er?, schrie Kells Verstand ihn an.
Seine Lungen begannen zu brennen.
Er schlug um sich, wirbelte um seine Achse, immer und immer wieder, aber alles war schwarz. Er spürte, wie Panik in ihm aufstieg; er hatte nur noch wenige Sekunden, dann war Saark ertrunken, vorausgesetzt, dass diese Bestie ihn nicht schon vorher mit ihren scharfen Zähnen und Klauen zerfetzt hatte.
Ein Blitz kam Kell zu Hilfe. Er zuckte über dem Boot auf, und einen Augenblick lang wurde der rauschende Fluss von dem grellen Licht erhellt. Kell sah den Canker, wie er Saark in die Tiefe zerrte. Er schwamm den beiden so schnell er konnte hinterher, den Svian zwischen den Zähnen, während sein Haar und sein Bart im Wasser hinter ihm hertrieben. Er fand sie beide in der Dunkelheit und stach mit seinem Dolch zu, spürte, wie er einen Körper traf, sich in Metall bohrte, in Zahnräder, fühlte, wie der Canker um sich schlug und ihn zurückschleuderte. Dann war alles nur noch ein Gewühl aus Luftblasen, Wahnsinn und Dunkelheit, und plötzlich … schob sich etwas neben ihn, riesig und kalt. Es war wie eine glatte Wand, die an Kell vorbeiglitt. Kell spürte mehr, als dass er es sah, wie Saark neben ihm an die Oberfläche trieb. Er packte den bewusstlosen Mann, während seine Lungen von geschmolzener Lava gefüllt zu sein schienen; er strampelte mit den Beinen, wobei seine Stiefel die glatte, durch das Wasser gleitende Wand trafen, und näherte sich der Oberfläche …
Erneut blitzte es, und die gezackten Bogen verwandelten den Himmel in ein Lichternetz. Kell blickte in die Tiefe und sah den Kampf, der unter der Wasseroberfläche tobte. Ein Kampf zwischen dem Canker, der sich mit Klauen und Reißzähnen wehrte, und einem riesigen, stummen schwarzen Aal. Das Tier musste mindestens fünfzig Meter lang sein, sein Körper hatte den Durchmesser von drei Männern und sein Schädel war ein riesiger, dreieckiger Keil, an dessen Spitze endlose Reihen scharfer Zähne saßen. Der Aal hatte den Canker umschlungen, zerquetschte das um sich schlagende Monster, und sein Kopf zuckte vor, während es mit den Zähnen immer wieder das Fleisch der Bestie zerfetzte. Kell glaubte Blut wie eine Fahne im Wasser wehen zu sehen. In dem Moment jedoch durchbrach er die Wasseroberfläche und schnappte angestrengt nach Luft, während er den regungslosen Saark mit einem Arm hinter sich herzog; dann sah er sich suchend nach dem Boot um.
Doch der Kahn war verschwunden, war ruderlos von der mächtigen Strömung abgetrieben worden, die durch die Schneeschmelze noch verstärkt worden war.
Kell fluchte und schwamm zum hohen Ufer, wobei er Saark hinter sich herzerrte. Zitternd erreichte er den Rand, der zu hoch war, um ihn zu erklimmen. Deshalb schwamm er weiter durch die Dunkelheit, Saark immer noch hinter sich herzerrend, wobei der Mann immer schwerer zu werden schien, schwamm durch das eisige Wasser, bis das Ufer niedriger wurde. Erschöpft rollte sich Kell auf einen gefrorenen, schlammigen Hang, Saark im Schlepptau. Eine Weile blieb er dort liegen und keuchte, wobei sein Atem Wolken in der Luft bildete, so dicht wie Drachenrauch; weiße Punkte tanzten vor seinen Augen.
Schließlich wurde die Kälte zu groß, und Kell zwang sich, aufzustehen. Er schüttelte Saark, der stöhnend sein Bewusstsein wiedererlangte,
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