Kells Legende: Roman (German Edition)
eine fette Hure auf mein Gesicht setzt. Und du?«
»Was soll mit mir sein?«
»Ich habe dir eine Kurzfassung meiner Geschichte erzählt. Jetzt bist du dran. Du bist ein Held, richtig?«
»Aus deinem Mund klingt das Wort ›Held‹ verdächtig wie ›Arschloch‹.«
»Ganz und gar nicht.« Saark grinste, und seine Melancholie fiel von ihm ab, so wie ein Falke aus dem Himmel fiel. »Ich hab einmal ein Gedicht über dich gehört. ›Kells Legende‹ nannte man es. Das bist doch du, hab ich recht? Du bist die Figur aus dieser Legende?«
»Bei dir klingt ›Figur‹ auch wie ›Arschloch‹.«
»Sehr komisch. Komm schon, Kell, es war ein gutes Gedicht.«
»Ha! Verflucht seien alle Poeten! Sie sollen die Pocken bekommen und hässliche Kinder kriegen.«
»Das Gedicht war wirklich gut«, beharrte Saark. »So richtiges Heldenzeug. Und es hatte auch ein anständiges Versmaß. Der Rhythmus hat einen dazu verleitet, mit dem Fuß mitzuwippen, wenn es in einer Kaserne von Männern mit Harfen und Honigbier und schimmerndem Staunen in den Augen rezitiert wurde.«
Kell zückte seinen Svian. Seine Augen glühten, als er mit der Waffe aus nächster Nähe auf Saark deutete. »Denk nicht mal im Traum daran. Man sollte die Poeten ausweiden wie Fisch, ihre Eingeweide zum Trocknen aufhängen und dann Balladen darüber verfassen, wie sie sich fühlen, während sie leiden. Verflucht sollen sie sein!«
Saark ließ sich nicht einschüchtern und sang, hielt allerdings seine Hand ausgestreckt, um das Messer abzuwehren, falls Kell doch auf die Idee kommen sollte, zuzustechen.
»Kell watete durch das Leben in einem Strom von Blut,
Seine Axt in der Hand, seine Träume missverstanden,
in Mondsee und Skulkra kämpfte er mit den Besten,
dieser alte Held, dieser besessene Held,
dieser Held, der selbst König Searlan bezwang,
trotzig und aufrecht, ein gnadenloser Mann.«
Kell schnaubte verächtlich. »Dichter machen sich einen Spaß aus Gemetzel, diese gelehrten, selbstgefälligen, selbstzufriedenen Mistkerle. Ich schäme mich, in diesem Lied namentlich genannt zu werden! Pah!« Kell runzelte finster die Stirn. »Und dann du! Du singst wie ein Trunkenbold. Selbst ich kann besser singen, und ich klinge schlimmer als ein Eselsfurz … und darauf bin ich auch noch stolz! Ein Mann sollte nur singen, wenn er den Bauch voll Whisky hat, seine Hand voll Geld und er auf einen Kampf aus ist. Du kannst deine verfluchte Poesie für dich behalten, Saark, du Idiot. Ich wünsche euch allen einen üblen Tripper ans Gemächt. Tod allen Poeten!«
»Tod allen Poeten?«, meinte Saark kichernd und entspannte sich, als Kell seinen Svian wieder in die Scheide schob. »Das finde ich ein bisschen übertrieben, als Strafe dafür, dass man einfach nur die mündliche Überlieferung weiterträgt und seine Mitmenschen unterhält. Aber die Frage ist, stimmt das alles? Ist es wahr, dieses Zeug in dem Gedicht? Die Sage?«
»Nein.«
»Nicht mal ein bisschen davon?«
»Immerhin haben die Mistkerle meinen Namen richtig buchstabiert. Hör zu, Saark, wir müssen Nienna und Kat suchen. Sie können meilenweit abgetrieben sein! Und sie könnten möglicherweise in Gefahr sein, während wir hier herumsitzen und unseren Atem vergeuden, wie eine Hure, die ihre hart verdienten Münzen verschleudert.«
»Wir werden sterben, wenn wir wieder in diesen Sturm hinausgehen.« Saark sprach leise.
»Wo ist deine Courage geblieben, Mann?«
»Sie versteckt sich hinter meinem Bedürfnis, am Leben zu bleiben. Kell, tot kannst du ihr nicht nützen. Warte, bis die Sonne aufgegangen ist; dann machen wir uns auf die Suche.«
»Nein. Ich gehe jetzt sofort los!« Kell stand auf und griff nach seiner nassen Kleidung.
Saark begann zu singen.
»Und der tapfere Kell marschierte hinaus in den Schnee,
Sein nutzloses Hirn ließ er zurück,
nahm stattdessen seinen mächtigen Dolch mit hinaus
und stolperte blindlings und schwachsinnig durch die Gegend.«
Kell hielt inne und starrte Saark scharf an. Der zuckte mit den Schultern und warf ein weiteres Holzscheit in die Glut. »Du bist unvernünftig, mein Freund. Ich mag mich vielleicht wie ein Idiot kleiden, aber ich weiß, wann es Zeit ist, zu leben, und wann die Zeit zum Sterben gekommen ist. Und jetzt ist nicht die Zeit dafür, zu sterben.«
Kell seufzte resigniert und setzte sich wieder ans Feuer. Dann starrte er trübsinnig in die Flammen.
»Sag es«, meinte Saark.
»Was?«
»Gib zu, dass ich recht habe.«
»Du hast recht.«
»Siehst du,
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