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Kells Legende: Roman (German Edition)

Kells Legende: Roman (German Edition)

Titel: Kells Legende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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blieben jedoch bald stehen, weil ihnen die vollkommene Dunkelheit unheimlich war. Ein weicher Teppich aus Kiefernnadeln lag auf dem Waldboden, und es duftete sehr stark nach Baumharz.
    »Das ist irgendwie unheimlich«, flüsterte Nienna.
    Kat nickte, aber das konnte Nienna in der Dunkelheit nicht sehen. Als könnten sie gegenseitig ihre Gedanken lesen, tasteten sie gleichzeitig nach der Hand der anderen und gingen dann tiefer in den Wald hinein. Die Furcht vor dem Canker war größer als die Angst vor der Dunkelheit und trieb sie an. Sie starrten die gewaltigen Baumstämme der riesigen Silberfichten hoch und betrachteten die unermessliche Dunkelheit darüber, den Himmel. Gelegentlich wehten Schneeflocken zwischen den Bäumen hindurch, aber wenigstens war es hier im Wald nicht windig.
    »Wird diese Kreatur zurückkommen, was glaubst du?«, erkundigte sich Kat.
    »Ich habe Kells Axt«, erwiderte Nienna, ohne direkt auf diese Frage zu antworten.
    »Selbst Kell und Saark konnten sie gemeinsam nicht töten«, gab Kat zu bedenken.
    Darauf antwortete Nienna mit Schweigen.
    Fichtennadeln knirschten unter ihren Schritten, und schließlich blieben sie stehen. Um sie herum lagen umgestürzte Stämme und abgebrochene Äste, und vor ihnen blockierten zwei gekreuzte Baumstämme den Weg. Fluchend und stöhnend krochen sie unter der niedrigen Barrikade hindurch und landeten auf einer winzigen Lichtung.
    »Sieh nur«, erklärte Nienna. »Hier hat jemand ein Feuer gemacht.«
    Sie liefen weiter zu einem Kreis aus Steinen, in dem noch Scheite glühten. Kat sah sich suchend um, sammelte etwas trockenes Holz, um das Feuer wieder anzufachen. Sie legten Zweige auf die Glut, warteten, bis sie brannten, und schichteten dann größere Zweige und Scheite darauf. Schon bald loderte das Feuer wieder, und sie wärmten sich die Hände an den Flammen, während sie ihr Glück kaum fassen konnten.
    »Wer, glaubst du, war das hier?«, erkundigte sich Nienna.
    »Waldarbeiter, denke ich«, erwiderte Kat. »Aber sie sind wahrscheinlich längst weg. Glut kann sich manchmal länger als einen Tag halten.« Sie nahm einen Stock und stocherte in dem Feuer herum. Die Flammen knisterten, und Funken stoben in die Luft, wie kleine Glühwürmchen. Die Kälte des Waldes und der Geruch nach kalter, verfaulender Vegetation schienen sie förmlich zu bedrängen.
    »Was sollen wir tun, Kat?«, brach Nienna schließlich das Schweigen und sprach damit aus, was sie beide dachten.
    »Ich weiß es nicht. Kell wird uns finden.«
    »Vielleicht ist er ja …« Sie beendete den Satz nicht.
    »Ich habe einiges über deinen Großvater gelesen«, erklärte Kat und starrte ins Feuer. »Er ist ein Überlebenskünstler. Er ist ein … Killer.«
    »Nein, das ist er nicht. Er ist mein Großvater.« Nienna runzelte die Stirn und sah Kat forschend an. »Was meinst du damit, wenn du sagst, er ist ein Killer?«
    »Er ist eine Legende«, erwiderte Kat und wich Niennas Blick aus. »Du wirst schon sehen. Er wird uns suchen. Er wird dich suchen, meine ich.«
    »Er wird uns beide suchen!«, fuhr Nienna hoch, der Kats Ton ganz und gar nicht gefiel. »Er ist ein ehrenwerter Mann! Ein alter Soldat! Er würde immer das tun, was recht ist.«
    Darauf antwortete Kat nicht.
    »Sieh an, sieh an«, ertönte plötzlich eine unbekannte Stimme aus dem Wald. Es war eine seltsame Stimme, freundlich und belustigt, und doch gleichzeitig spöttisch. »Wen haben wir denn da?«
    Die beiden Mädchen sprangen auf, und Nienna hob die Axt. Aus dem dunklen Wald tauchten sechs Männer auf. Ihre Gestalten lösten sich langsam aus der Dunkelheit. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen, und sie trugen kaum mehr als Lumpen am Leib und schmutzige, verfilzte Felle. Ihre Stiefel waren abgeschabt, ihre Schwerter angelaufen; zwei der Männer waren jedoch mit sehr guten Langbögen aus Eibenholz bewaffnet.
    »Was wollt ihr von uns?«, knurrte Kat.
    Der Mann, der gesprochen hatte, war groß und schlank, sein Gesicht von Pockennarben entstellt, und seine Augen blickten unschuldig. Er hatte langes dunkles Haar, das er unter einer Mütze mit Fellbesatz zurückgebunden trug. Er grinste die beiden jungen Frauen an und zeigte dabei eine große Zahnlücke.
    »Wir wollen gar nichts, meine Süßen. Ihr habt es euch einfach nur in unserem Lager gemütlich gemacht, das ist alles.«
    »Seid ihr Räuber?«
    Der Mann hob die Hände und spreizte die Finger; er war unbewaffnet. »Also, nur weil ich im Wald lebe, meine Süßen, bin ich noch

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