Kells Legende: Roman (German Edition)
glaubte sie, es wäre die Nachwirkung des Schlages auf ihren Hinterkopf. Dann jedoch realisierte sie die schreckliche Wahrheit; sie war gefesselt und hing an einem dicken Ast. Sie runzelte die Stirn, und einen Augenblick lang überwog ihr Ärger. Diese Mistkerle hatten sie gefesselt und aufgehängt wie ein Hühnchen! Sie hörte Gelächter und Geschrei, das Knistern von Feuer, und als sie sich an dem Seil hängend mühsam umdrehte, sah sie Kat. Ihre Freundin war fast nackt. Die Männer hatten ihr Hemd und Hose ausgezogen, so dass sie nur noch ihr Unterhemd und ihre Stiefel trug; und sie hatte einen langen Stock in der Hand. Auf ihrer Miene zeichnete sich eine merkwürdige Mischung von Hass und Furcht ab, als die Männer sie umringten und sie mit dem Stock nach ihnen schlug.
»Siehst du auch schön zu, meine Süße?«
Nienna blickte hinab und sah Barras, der dicht neben ihr stand. Aber er sah sie nicht an, sondern beobachtete das Spektakel mit Kat.
»Lasst uns gehen«, sagte sie.
»Warum? Wir werden mit euch beiden in den nächsten, sagen wir, zwei Monaten eine Menge Spaß haben. Eine junge Frau wie du kann sich als sehr nützlich erweisen; du hast so viel Mumm, du bist so leidenschaftlich und hast so viel Wut in dir. Aber wenn wir uns schließlich lange genug mit euch vergnügt haben, euch geschlagen und euren Mut gebrochen haben, brutaler, als man einen hochgezüchteten Hengst bricht, sobald ihr nicht mehr stöhnt und schreit, wenn ihr kommt, nicht mehr versucht, uns die Gesichter zu zerkratzen oder die Haare auszureißen … kurz, wenn euer Rückgrat gebrochen ist, mein süßes kleines Püppchen, dann, und erst dann, werden wir euch die Kehlen durchschneiden.«
Nienna starrte den Mann an, schmeckte das Erbrochene in ihrem Mund und überlegte, wie sie ihn töten konnte. Seine Worte flößten ihr mehr Angst ein als alles, was sie bis jetzt gehört oder gesehen hatte; es war schlimmer als die Albino-Armee, sogar schlimmer als jeder Canker. Denn das, hier, in diesem Augenblick, das war etwas Persönliches; es handelte sich nicht um eine einfache Invasion. Dieser Mann war böse, war bis ins Mark vollkommen verdorben. Es erschütterte sie immer noch, dass sie das nicht bereits am Anfang erkannt hatte. Gewittert hatte. Diese Erfahrung wirkte ziemlich ernüchternd auf sie.
»Wie kannst du uns so etwas antun?« Ihre Stimme klang kläglich.
Barras hob den Blick und streckte dann seine Hand aus und fuhr damit in ihr Hosenbein. Seine Finger fühlten sich grob auf ihrer Haut an. Sie wand sich und zappelte, aber er war kräftiger, als er aussah; er grinste, während er mit den Fingern grob über ihren Oberschenkel fuhr, sie rücksichtslos in ihre weiche, junge Haut grub. Seine Augen waren alt, düster und zutiefst bösartig.
»Nicht jeder in dieser Welt hat dieselben Moralvorstellungen wie du, meine Süße. Ihr kleinen, reichen Mädchen … ihr verdient genau das, was ihr bekommt.«
Die Männer lachten, rissen Kat den Stock aus der Hand und warfen sie zu Boden. Einer küsste sie, und als sie ihm in die Zunge biss, dass das Blut herausspritzte, schlug er sie ins Gesicht, erst mit der offenen Hand, hart, und dann mit dem Handrücken. Blut lief aus ihrer Nase, und sie lag wie betäubt da, während sich die Finger ihrer Hand verkrampften. Der Mann riss ihr Unterhemd auf und enthüllte ihre kleinen, festen Brüste. Er legte seine Hände darauf und walkte sie, während seine Kumpane schallend lachten …
»Sagt ihnen, sie sollen das lassen.« Niennas Mund war so trocken, dass sie kaum sprechen konnte.
»Warum denn, meine Süße?«
»Ihr habt die Axt gesehen«, meinte Nienna, deren Stimme plötzlich härter wurde. »Es ist Ilanna.«
Barras kniff bei ihren Worten die Augen zusammen und betrachtete sie finster. »Wo hast du diesen Namen gehört?«
»Es stimmt«, zischte sie. »Es ist die Axt meines Großvaters. Er kommt, schon bald. Er wird euch alle töten.«
»Wie lautet sein Name?«
»Ihr kennt seinen Namen, ihr widerlicher Haufen Pferdemist!«
»Sag mir sofort seinen Namen!«, schnarrte der Waldläufer sie an.
»Sein Name ist Kell, und er wird dir dein Herz herausreißen!«, stieß Nienna hervor.
Als Barras diesen Namen hörte, reagierte er. Er fluchte, vor allem über sich selbst, weil er wusste, dass er diese Axt schon einmal gesehen hatte, und trat vor, um mit den anderen Männern zu reden. Doch bevor er dazu kam, passierte etwas, und zwar so schnell, dass er zunächst nur verwirrt blinzelte. Erst als Blut über
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