Kells Legende: Roman (German Edition)
Purzelbaum rückwärts. Sie landete geschickt auf den Füßen, und als sich Shabis erneut auf sie stürzte, mit ihren Klauen den Teppich zerfetzte und das Öl in ihren Augen schimmerte, sprang Anukis ebenfalls auf ihre Schwester los, stieß sich von der Wand ab und segelte über Shabis’ Kopf. Sie landete in einer Hocke, nicht bereit, ihre eigenen, tödlichen Waffen zu benutzen und gegen ihre Schwester zu kämpfen.
»Shabis!«
Shabis wirbelte herum, wutentbrannt. »Du wirst sterben, du Miststück!«
»Welches Gift hat er dir in deinen Kopf geträufelt? Welche Lügen hat er dir erzählt?«
Shabis griff erneut an und schlug mit ihren Krallen nach Anukis’ Kehle. Die wich aus, bog den Kopf zurück, während Messing und Stahl nur um Haaresbreite an ihrer Luftröhre vorbeizischten. Dann schlug sie ihre Schwester gegen die Brust, schleuderte sie fast horizontal zurück, so dass sie mit dem Gesicht zuerst auf dem Teppich landete; sie hustete und presste die Hände auf ihre Brust, als der Schmerz ihr Herz, ihre Mechanik, ihr Uhrwerk durchzuckte …
Anukis sah Vashell an. »Ruf sie zurück!«
Vashell machte einen Schritt rückwärts und befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. Sie sah die Beule in seiner gepanzerten Hose. Ganz offenbar geilte er sich daran auf, zuzusehen, wie sich zwei Schwestern bis aufs Blut bekämpften.
»Halt sie auf!«, kreischte Anukis, als Shabis sich wieder aufrappelte. Der Mund der jüngeren Schwester war blutverschmiert.
»Nein«, erwiderte er leise knurrend. »Das ist der letzte Akt, verstehst du das nicht? Das ist die letzte … Belustigung. Eine Entschädigung, wenn du so willst, für all den Schmerz und das Leid, das du verursacht hast. Shabis.« Shabis sah ihn an, und die Wut in ihren Augen verwandelte sich in Liebe. »Sobald du sie getötet hast, werden wir heiraten; wir werden eine glorreiche Ewigkeit miteinander verbringen, und du wirst nie wieder arbeiten müssen. Wir werden in einer nie endenden Blutöl-Verzückung leben, nur du und ich, meine Liebste.«
Shabis drehte sich zu Anukis herum, den Kopf gesenkt, mit vor Wut verdunkelten Augen. Sie fauchte und griff erneut an. Anukis weinte. Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen, tropften auf ihre blonden, die Brust bedeckenden Locken. Shabis sprang wie ein Tiger auf sie los; sie hatte die Hände mit den ausgefahrenen Vachine-Klauen verschränkt, um Anukis’ Schädel zu zerschmettern. Anukis bog sich zur Seite und fuhr eine einzelne Kralle aus, während sie mit ihrer Hand seitwärts schlug, nach unten, als Shabis an ihr vorbeisegelte. Es blitzte kurz, und ein leises Knirschen war zu hören. Shabis landete mit voller Wucht auf dem Boden, rollte sich herum, kreischte und jammerte, während sie sich mit ausgefahrenen Krallen an ihr Gesicht griff, wo Blut, vermischt mit Blutöl, aus den Löchern troff, in denen ihre Reißzähne gesessen hatten.
Anukis hatte Shabis ihre Reißzähne herausgerissen, das wichtigste Symbol der Vachine.
»Nein!«, jammerte Shabis. Blutöl pumpte durch die kleinen Zylinder in ihrem Schädel, in ihrem Herzen, und spritzte heraus, kostbares Blutöl. »Was hast du mir angetan, Anukis?« Sie rappelte sich hoch und rannte zu Vashell. Der streckte seine Arme aus, hielt sie fest und tröstete sie, als sie sich schluchzend hineinwarf. Ihr Blutöl troff auf seine Kleidung, und er hob den Blick, um Anukis zu beobachten, die in ihrer Verzweiflung dastand, während sie ihre Kralle wieder einzog.
»Jetzt brauchst du eine andere Mörderin«, erklärte Anukis dann triumphierend.
»Das stimmt.« Vashell nickte. Dann stieß er Shabis von sich, zückte sein Messingschwert und trennte ihr mit einem schnellen Hieb den Kopf vom Körper. Blut und Blutöl spritzten hoch in die Luft, bis an die Decke, befleckte Wände und Bett in einem wilden Schauer. Shabis’ Kopf landete auf dem blutgetränkten Teppich. Die Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, ebenso wie der Mund, und ihre bleichen Gesichtszüge waren entstellt. Anukis konnte die Mechanik in ihrem offenen Hals sehen, zwischen dem Fett, den Muskeln, den Adern und den Knochen, sicher und komplex eingebettet, an den Körper gebunden. Das Uhrwerk funktionierte immer noch, wurde jedoch allmählich langsamer, als die Zahnräder nicht mehr ineinandergreifen konnten und eine zentrale Achse nicht mehr mit dem Mechanismus verbunden war. Shabis’ Körper sackte langsam auf dem Teppich zusammen, so als würde aus ihm die Luft entweichen. Ihr Vachine-Uhrwerk stand still. Shabis
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