Kells Rache: Roman (German Edition)
Verbrechen!«
»Allerdings. Ein Verbrechen an meinem Bauch, denke ich. Aber gehen wir weiter, wir haben einen langen Weg vor uns.«
Sie stiegen vom Paladin-See in der Talsenke den Berg hinauf. Nach kaum einer Stunde heulte der Wind über die Bergflanke und durchdrang ihre Kleidung. Sie alle zogen sich zusätzliche Wollhemden an und holten ihre dicken Umhänge heraus, als der Schnee hoch über den Klippen tanzte und ein Schneesturm drohte.
»Ich nehme an«, ächzte Saark, als er in das alte Flussbett sprang und sich umdrehte, um Mary zu führen, »dass der Schnee unsere Passage sehr leicht blockieren und unsere Weiterreise unmöglich machen kann. Ist das denkbar?«
»Allerdings.« Kell keuchte, stemmte seine Hände in die Hüften und betrachtete die schmale Steigung vor ihnen. Die Schneeschicht war verblüffend flach und an eine Seite des alten Flussbettes geweht. Kell suchte einen Weg auf der anderen, linken Seite, wo seine Stiefel auf den Steinen Halt fanden, und führte den Anstieg an.
Sie kamen nur langsam weiter, und schon bald keuchten alle, bis auf den Esel. Es kostete sie sehr große Anstrengung weiterzugehen. Trotz der Kälte und des Eises bewegten sich die kleinen Felsbrocken des alten Flussbettes unter ihren Stiefeln, was den Aufstieg erschwerte.
Trotzdem gaben sie nicht auf.
Sobald sie im Windschatten waren, begannen sie zu schwitzen und spielten schon bald ein nervendes Spiel; sie zogen die Kleidung aus, weil ihnen zu heiß war, dann litten sie unter dem eisigen Wind und zogen sie wieder an. Saark fluchte mehr als die anderen, Nienna dagegen blieb stumm. Ihre Miene war ruhig, ihr Blick auf die Aufgabe konzentriert, und sie trieb sich an, sehr zu Kells Stolz, auch wenn er ihn nicht äußerte. Sie ist eindeutig von meinem Blut, dachte er. Sie besitzt die Stärke von zehn Löwen!
Es wurde bereits dunkel, als sie schließlich den letzten Abschnitt des steilen Pfades erreichten. Die Kletterpartie wurde auf der Länge von etwa hundert Metern noch einmal schlimmer, bis sie schließlich die Dämonenklamm erreichten. Mittlerweile war der Bergkamm selbst verschwunden, und sie sahen nur noch Felsen und Eis, Felsbrocken und Rinnen und Schluchten in dem Gestein.
Saark blieb stehen und blickte auf die Strecke zurück, die sie bereits bewältigt hatten. Dann grinste er Nienna an. »D u hältst dich gut, Mädchen.« Sie nickte, aber kein Lächeln erhellte ihr Gesicht. Sie war erschöpft; ihre Hände waren wund, die Füße taten ihr weh, die Kälte drang ihr bis auf die Knochen, und der Wind schien direkt durch ihren Verstand zu heulen. »Ich versuche es, Saark. Ich versuche es wirklich.« Jetzt hatte sie wieder die Stimme eines Kindes, das vollkommen ermüdet war.
Der Anstieg wurde immer schwieriger, und sie mühten sich weiter, klammerten sich an die gefrorenen Felsen, zerrten sich über steile Vorsprünge und an einem gewaltigen Felsbrocken vorbei. Esel Mary war, wie Saark vorhergesagt hatte, überraschend beweglich. Aber als er den steilen Anstieg des Pfades vor sich sah, fragte er sich, wie lange das Tier dies noch schaffen konnte.
Sie kämpften sich dennoch weiter, während der Schweiß ihnen übers Gesicht lief, trotz des eisigen Windes. Myriam litt am meisten, denn durch den aggressiven Krebs war sie geschwächt und wurde mit jedem Tag, der verstrich, schwächer. Ihr Gesicht und ihre Augen glänzten fiebrig, sie trank häufig Wasser, und ihre Hände zitterten vor Erschöpfung; sie fühlte sich wie ausgetrocknet. Irgendwann stolperte sie, doch Saark war zur Stelle. Er bewegte sich unglaublich schnell und geschickt und packte ihren Arm, bevor sie den steilen, steinigen Hang hinabstürzen konnte. Sie lächelte ihm dankbar zu und stützte sich schwer auf ihn, als sie erneut nach ihrer Wasserflasche griff. Saark runzelte die Stirn und ließ sie los.
»Ich hätte dich fallen lassen sollen!«, fuhr er sie an.
»Du bist immer noch wütend wegen dieses Messerstichs, hab ich recht?«
Saark erwiderte nichts, sondern ging weiter. Myriam sah ihm mit leuchtenden, fiebernden Augen nach.
Kell erreichte den Grat als Erster und stand auf den schwindelnden Höhen der Dämonenklamm. Er pflanzte seine Füße auf je eine Seite des schmalen Grats und stem mte die Hände in die Seiten, während sein Haar und sein Bart von dem wilden, heulenden Wind gepeitscht wurden. Sein Blick wanderte über die zahllosen Hügelketten und die endlosen, schroffen Gipfel des Schwarzspitz-Massivs. Das Panorama war einzigartig und
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