Kells Rache: Roman (German Edition)
auch auf Frauen mittleren Alters. Verdammt, sogar auf Großmütter. Es ist nur selten passiert, dass ich eine Frau getroffen habe, die noch atmete und nicht ein Stück von Saarks zärtlicher Liebe abhaben wollte.«
»Hast du wirklich eine so hohe Meinung von dir?«
»Nein. Die Frauen haben eine so hohe Meinung von mir. Ich bin einfach nur viel zu gut erzogen, um ihnen zu widersprechen.«
»Hast du jemals jemanden geliebt?« Saarks Lächeln erlosch, und sofort bemerkte Myriam ihren Fehler. »Entschuldige«, sagte sie rasch.
»Nein, schon gut. Ich sollte meine Schuldgefühle und meine Verachtung mir selbst gegenüber nicht in mir verschließen. Das ist eine ungesunde Kombination. Ja. Ich habe einmal jemanden geliebt. Zweimal, genau genommen. Die eine wurde mir weggenommen, wegen einer arrangierten Ehe.«
»Und die andere?«
» Die andere war bereits mit jemandem verheiratet.« Saark s Stimme klang heiser, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Aber er winkte ab, als er Myriams besorgtes Gesicht sah. »Schon gut. Ist schon sehr lange her. Obwohl irgendein Mistkerl es anscheinend darauf abgesehen hat, mich an mein verflossenes Elend zu erinnern. Und du? Hast du jemals jemanden geliebt?«
»Nein«, erwiderte Myriam und legte den Kopf schief. »Ich bewundere Männer wegen ihres Aussehens oder ihres Körpers. Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass kein Mann jemals mein Herz erobert hat. Und dann, na ja, dann wurde ich krank, und die Krankheit hat mich zerfressen. Sie hat mir meine Jugend und meine Schönheit geraubt, sogar mein Gewicht. Das ist eine harte Strafe. Die Götter haben einen perversen Sinn für Humor, hab ich recht? Und sie scheinen den größten Teil davon auf mich zu verwenden. Kein Wunder, dass ich so verbittert geworden bin.«
Saark betrachtete sie. »Ich gebe zu«, sagte er dann sanft, »dass du einmal verdammt gut ausgesehen haben musst.«
»Ich war jedenfalls schön genug, um selbst dir den Kopf zu verdrehen, Schwertchampion!«, fuhr sie ihn an. »Aber das ist jetzt vorbei.«
»Entschuldige. Ich wollte dich nicht kränken.«
»Das hast du auch nicht.« Aber ihre Stimme war härter geworden, verzweifelter.
»Es muss sehr schwer gewesen sein. Mit ansehen zu müssen, wie man verblasst.«
»Allerdings, Saark.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Schließlich kamen sie zu einem schmalen Vorsprung, wo sich der Weg verengte. Es sah aus, als hätte jemand Blöcke in die Bergflanke gehauen. Kell hatte Nienna raufgeholfen und ging vorweg. Saark sprang ebenfalls behände hinauf und drehte sich herum. Als Myriam hinaufstieg, rutschte sie aus … Saark bewegte sich so schnell, dass er fast wie ein Schemen wirkte, und packte ihr Handgelenk. Er hob sie hinauf auf die steinerne Stufe, ihre Hand in seiner und eine Hand auf ihrer Hüfte. Einen Augenblick lang standen sie so da und sahen sich an. Dann trat Saark zurück und hustete, während er sie losließ.
»Pass auf, wohin du trittst, Mädchen. Hier geht es tausend Meter in die Tiefe. Und ich wette, dass du auf dem Weg nach unten kein einziges Mal irgendwo aufprallst.«
»Danke.«
»Gern geschehen.«
Sie gingen weiter. »Stell dir vor«, sagte Myriam, »du hättest eine lange, schreckliche Narbe im Gesicht. Oder du würdest in einem Feuer gefangen, und dein Haar und dein Gesicht würden brennen, und du würdest durch die Flammen schrecklich entstellt werden. Wie würdest du dann reagieren?«
Saark schüttelte sich unwillkürlich. »Dieses Schicksal wäre schrecklicher als der Tod«, räumte er ein. »Ich wäre wirklich ein leichtes Opfer für einen Folterknecht. Ich muss zugeben, dass das meine Schwäche ist. In dem Moment, in dem er mein Gesicht auch nur berührte, würde ich wie ein Mädchen wimmern und alle Geheimnisse ausplaudern, von denen ich wüsste.«
»Eitelkeit ist ein Fluch«, erklärte Myriam.
»Gewiss, aber nur, wenn du nicht so schön bist wie ich.«
»Du bist wirklich ein wahrer Romantiker«, entgegnete Myriam bissig.
»Ich versuche es jedenfalls«, erwiderte Saark affektiert. Er hatte die Ironie nicht verstanden oder ignorierte sie geflissentlich. »Ich versuche es sehr, mein Süßherz.«
Am Ende des Aufstiegs traten sie auf ein Plateau, das von gefrorenem Schnee bedeckt war. Ihre Stiefel knirschten, und obwohl sie bereits einen steilen Aufstieg hinter sich hatten, umringte sie jetzt ein glorreiches Panorama weiterer, noch höherer Gipfel. Nienna drehte sich kichernd im Kreis, während Kell tief
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