Kells Rache: Roman (German Edition)
Lachen, das merkwürdig an diesem düsteren, kalten Ort klang. »Du bemitleidest dich selbst, mein Alter. Du hast dieses schlechte Bild von dir selbst, und du willst nicht zugeben, dass irgendetwas Gutes in dir existiert, oder du kannst es nicht. Na gut, mein Alter, wie auch immer du meinst. Aber wir beide wissen, dass du mit deiner Axt in der Hand über diese ganze Welt spaziert wärest und jeden Mistkerl abgeschlachtet hättest, der sich zwischen dich und deine Enkelin gestellt hätte. Auch ohne dass du vergiftet worden wärest.«
»Siehst du«, meinte Kell. »Du sagst es ja selbst. Ich hätte jeden abgeschlachtet, der sich mir in den Weg gestellt hätte. Das ist nicht ehrenhaft. Das ist auch kein Zeichen von Stärke. Das ist schwach, Saark; ich bin ein schwacher Mann. Ein starker Mann würde seine körperliche Stärke nicht so einsetzen, wie ich das tue. Ein starker Mann würde diese … diese Gabe nicht missbrauchen.«
»Der einzige Missbrauch, der hier stattfindet«, entgegnete Saark, »sind deine Tischmanieren. Sieh dir das nur an! Bei allen Göttern, du schlabberst Suppe auf deine Weste. Du bist wirklich ein widerlicher Mistkerl, Kell. Die Suppe hängt in deinem Bart und überall auf deiner Kleidung! Kannst du deine Hand nicht irgendwie ordentlich zu deinem Mund führen? Kannst du nicht einmal etwas Suppe in deinem Mund behalten?«
»Ich kann vor allen Dingen meine Faust in dein Maul befördern, wenn du nicht aufhörst, es aufzureißen.«
»Ha! Und ich habe deine Ehre und deine Integrität verteidigt.«
»Dafür brauche ich niemanden«, erwiderte Kell.
Myriam hatte den Streit zwischen den beiden Männern verwirrt verfolgt und starrte jetzt den hünenhaften Krieger an. »Kell.«
»Ja, Mädchen?«
»Ich bin verwirrt. Und auch ein bisschen besorgt.«
»Heraus damit.«
»Na ja, ich frage mich, warum du mich immer noch nach Silvatal führst, zu den Vachine. Ich will nicht mit einer Axt im Hinterkopf aufwachen, das heißt, eben nicht mehr aufwachen. Ich habe es satt, ständig ängstlich über die Schulter zu gucken. Ich will nicht mehr in Furcht leben. Und mir ist klar, dass ich genau das durch mein Verhalten verdient habe. Durch das, was ich dir und Nienna angetan habe. Es tut mir zutiefst leid.«
Kell grinste und blickte in die Flammen des kleinen Feuers. »Du hast mir wirklich übel zugesetzt, Myriam. Du hast mir schlimmer zugesetzt, als irgendjemand sonst das hinnehmen würde.« Er blickte hoch. Seine Augen funkelten, doch dann richtete er seinen Blick auf seine Enkelin. Nienna betrachtete fasziniert die Wände der Höhle, als hätte sie in dem feuchten Stein ein besonders altes Gedicht entdeckt. Kell schüttelte den Kopf. Er konnte ihr unaufhörliches Staunen über diese Welt einfach nicht verstehen. »Es ist ganz einfach, Mädchen. Hättest du mir das vor ein paar Jahren angetan, ich meine das mit dem Gift, dann wärst du jetzt tot. In dem Moment, in dem das Gegengift über meine Lippen geronnen wäre, hätte ich dich wie ein Holzscheit in der Mitte gespalten.« Er lehnte sich zurück, nachdem er die Suppe ausgetrunken hatte, und legte die Hände auf seine Knie. Er seufzte. »Aber ich versuche es. Ich versuche … ich will nicht sagen, gut zu werden, aber ein besserer Mensch zu werden. Ich versuche, ein erträglicher Mann zu sein, für Nienna, um ihr ein Beispiel zu geben. Es ist ironisch, dass ich das ausgerechnet mitten in einer Invasion angehe. Aber man muss sich halt bemühen.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes, verfilztes und ungepflegtes Haar. Dann kratzte er sich den Bart und rieb einen Rest von Suppe weg. »Und wir haben dieselben Ziele. Wir haben dasselbe Ziel. Ich habe den starken Eindruck, dass es in Silvatal Antworten gibt. Ich bin Kell. Und ich will Antworten.«
»Ich könnte dir etwas anbieten.«
»Noch etwas?«, grollte Saark. »Das einzige Angebot, das du verdienst, ist eine Klinge zwischen die Rippen zu bekommen.«
»Still!«, fuhr Kell ihn an. »Sie hat schlimme Dinge getan, in dem Punkt sind wir uns alle einig. Aber du, Saark, bist auch nicht gerade ein Engel. Ich habe nicht vergessen, was du mit Kat gemacht hast. Du bist ein Raubtier. Was haben die Männer in dem Dorf noch über dich gesagt? In Kettelskruul? ›Saark, ein überheblicher, reicher Mistkerl, der nicht in der Lage ist, seinen verdammten Kindermacher in seiner nach altem Käse stinkenden Hose zu lassen.‹«
»Ach. Das hast du also gehört, ja?«
»Ich hab’s gehört, Jungchen.« Er sah Myriam an.
Weitere Kostenlose Bücher