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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Remic
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Kriegsfürsten waren ein Feind, den man fürchten musste, das spürte er, er fühlte es. Jageraw hatte den Traum ausgesponnen, die zukünftigen Ereignisse, die Versprechungen, die Prophezeiung. Ja, ich habe es tausendmal in meinem Verstand durchgespielt. Und trotz seiner Kraft, trotz seiner Ehrfurcht einflößenden tödlichen Macht, trotz seiner übernatürlichen Fähigkeiten auszuweichen und zu töten hatte er Angst.
    »Der König ist tot, der König ist tot, der König ist tot«, sang er vor sich hin. Seine Worte klangen wie ein Wiegenlied, seine Stimme war Musik in seinen Ohren, aber auf einer anderen Ebene von Hörfähigkeit. Anderen gefiel sie nicht besonders. Er wusste, dass es geschehen würde, denn er hatte gesehen, wie es geschah: Die Mächtigen waren gefallen, sie waren gestürzt, König Leanoric, der Kriegskönig war tot, seine Armee ausradiert und an die Maschine verfüttert, die widerliche schwarze Maschine, welche die Droge für die Vachine herstellte.
    Der Grabschänder wiegte sich hin und her. Sein Chitinpanzer war von einer feinen Schicht Schnee bedeckt. Dann hörte er ein angestrengtes Atmen, ein Keuchen, etwas Gejagtes; interessant, dachte er, weil er für gewöhnlich, in diesen seltsamen Szenarien, sowohl den Jäger als auch die Jagdbeute fraß. Eine doppelte Mahlzeit. Jede Menge Essen für Jageraw. Eine Menge Essen einschließlich dieser kleinen, warmen Organe. Er blinzelte sich zu. Das mag ich. Ich mag es sehr. Wie sehr er Nieren liebte, um den alten Rotwein runterzuspülen; wie er nach einem Stückchen zerfetzter Lunge gierte. So schmackhaft wie Kürbis.
    Das Atmen war jetzt lauter, aber der Grabschänder konnte durch den dichten Schneefall nichts erkennen; der Schnee wehte hierhin und dorthin, in alle Richtungen gleichzeitig, vor allem jedoch war er im Weg. Jageraw kauerte sich hin, seine Muskeln traten hervor, und er beschloss, den Gejagten zuerst zu töten. Dann würde er die Angreifer attackieren und ihnen die Köpfe abreißen, ganz gleich wie viele es auch sein mochten. Drei oder dreißig, das spielte für den Grabschänder keine Rolle. Wenn er in Stimmung war zu töten und zu fressen, würde er sich Zeit lassen, es genießen, und jagen, bis alle tot waren. Sie hinterließen eine stinkende Spur, die schlimmer war als der Gestank einer Jauchegrube. Es war nicht schwer, ihnen zu folgen.
    Das Ding stürmte durch den Kreis der Steine und blieb beim Anblick des Grabschänders verblüfft stehen. Jageraw sprang darauf zu, beherrschte sich jedoch und drehte sich mitten in der Luft herum, landete geschickt auf allen vieren wie eine Katze. Dann starrte er misstrauisch auf diese Kreatur, die in seinen Kreis aus Steinen eingedrungen war, eine Kreatur, die man nur als Ding bezeichnen konnte. Ganz ohne jeden Zweifel hatte es noch nie ein solches Wesen in Le’annath Moorkelth gegeben! Aber andererseits hatte Jageraw auch noch nie einen Canker gesehen, und ganz gewiss keinen so pervertierten, mit Uhrwerk und goldenen Drähten verunstalteten wie dieses Exemplar.
    »Hilf mir!«, grollte die massige, missgestaltete Uhrwerk-Kreatur. Sie bemühte sich, die Worte zu bilden, denn ihr Mund war aufgerissen, die Kiefer fünfmal weiter auseinandergerissen als bei dem Mund eines normalen Sterblichen. Dicke goldene Drähte waren um seine Haut herumgewickelt und bohrten sich sogar hinein. Die Kreatur sah aus, als wäre jeder einzelne Atemzug für sie eine Qual aus Schmerz und Leiden.
    Der Grabschänder legte den Kopf auf die Seite und bewegte sich geschmeidig weiter, schlich wie eine Katze voran. Am Rand des Steinkreises blieb er stehen. Einen Mythos zufolge konnte er den Steinkreis nicht verlassen, doch das war einfach nur ein Mythos; Jageraw konnte tun, was zum Teufel er wollte, vor allem dann, wenn er nach Nahrung suchte, nach einem Stückchen Niere, die so gut und glatt durch seine Speiseröhre rutschte. Hm, lecker .
    Die Soldaten marschierten durch den Schnee den Hügel herauf; es waren sehr viele. Jageraw zählte sie rasch. Mindestens einhundert. Er drehte sich um und betrachtete finster die deformierte Kreatur in seinem Steinkreis, in seinem verdammten höllischen Kreis von Steinen! In seinem Heim! Er hatte zwei Möglichkeiten: Er konnte die Kreatur töten oder sie verstecken. Wenn die Soldaten ihn sahen, und sie sahen gut bewaffnet aus und gut ausgebildet, würden sie ihm wahrscheinlich einen weit erbitterteren Kampf liefern als diese albernen, komischen Scharmützel, die ihm die normalen Dorfbewohner mit

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