Kells Rache: Roman (German Edition)
sich, dass sie alleine waren. Dann senkte er seine Stimme. »Wir können Fiddion fragen.«
»Glaubst du, dass er kooperiert?«
»Er hat uns schon zuvor, sagen wir, wichtige Informationen weitergegeben. Graal scheint irgendeine Verbindung zu den Schnittern zu haben; und diese Schnitter spielen nach ihren eigenen Regeln. Es wäre einen Versuch wert, denn Fiddion verachtet seine eigene Rasse, warum auch immer.«
»Dann mach es. Nimm Kontakt zu Fiddion auf. Finden wir heraus, ob die Schnitter Graals Pläne kennen.«
Sonnenlicht schimmerte zwischen den gewaltigen Sturmwolken; hellgelbe Strahlen, die lange, unheimliche Schatten über die Wälder um Alt Skulkra warfen. Graal schritt durch das Lager, gefolgt von drei Schnittern, eine Hand auf seinem Schwertgriff. Die Miene auf seinem blassen Gesicht war undurchdringlich. Albino-Soldaten gingen ihm hastig aus dem Weg. Er blieb nur ein einziges Mal stehen und drehte den Kopf nach links, als er das Knurren aus den Cankerkäfigen hörte und mit den Zähnen knirschte. Verdammt sollen sie sein!, dachte er. Verdammt soll ihr perverses, missratenes Fleisch sein! Sie erinnerten ihn schmerzlich an seinen Bruder. Er war tot. Ermordet, wie er später he rausgefunden hatte, von diesem Mistkerl Kell und seiner blutgebundenen Axt. »Ich werde dich brennen sehen, du Hund!«, murmelte er leise, als er seinen Weg durch das Lager fortsetzte und den Rand der Zelte erreichte, wo Albino-Soldaten immer noch Lagerfeuer unterhielten.
Etliche der Soldaten blickten hoch, als er näher kam. Ihre Blicke waren unterwürfig, als warteten sie auf einen Befehl. Graal jedoch nahm sie nicht einmal wahr. Sein Blick war stattdessen auf die drei riesigen schwarzen Bauwerke gerichtet, die auf der Ebene standen: Sie waren eckig und flach, ihre Oberfläche war matt schwarz, doch ihr Zweck war nicht sofort erkennbar.
»Sind wir bereit?«, erkundigte sich Graal.
»Wir sind bereit«, zischte einer der Schnitter.
»Ist er da?«
»Er ist da, General Graal.«
»Gut. Wird auch langsam Zeit.«
Graal trat auf die Ebene, und je näher er den Blutraffinerien kam, desto größer ragten sie vor ihm empor: riesige, kubische Bauwerke, deren Wände vollkommen neutral und schwarz waren, wie aus mattem, rußigem Eisen. Schneeflocken wirbelten durch die Luft, als Graal über die gefrorene Erde ging, und als er den Bauwerken noch näher kam, rümpfte er die Nase. Er blinzelte. Man hatte den Leichen, insgesamt viertausend, Rüstungen und Stiefel ausgezogen und sie in mehreren Reihen vor den drei Blutraffinerien ausgelegt. Graal blickte auf sie hinunter, aber auf seinem bleichen Gesicht zeichnete sich keine Emotion ab. Es gab Wichtigeres, worüber er sich den Kopf zerbrechen musste.
Er trat in den Schatten der gewaltigen Raffinerien. An der Wand des ersten Gebäudes lehnte ein Mann, groß und schlank und bärtig. Graal blieb vor ihm stehen. Es war Viga, Kradek-kas persönlicher Ingenieurassistent, der gekommen war, um die Arbeit der Blutraffinerien und ihre Blutaufnahme zu überwachen. Er hatte den weiten Weg vom Schwarzspitz-Massiv hierher zurückgelegt, um zu helfen.
»Willkommen, Graal«, sagte der Mann. Seine Augen funkelten, und Graal konnte die winzigen Reißzähne der Vachine erkennen, die wie poliertes Messing aussahen und über seine Unterlippe herausragten.
»Ich fürchtete schon, Ihr würdet niemals kommen«, gab Graal zurück. Er musste sich zusammenreißen, um seine Gereiztheit zu unterdrücken. Er war es nicht gewohnt, so … so beiläufig behandelt zu werden. »War die Reise schwierig?«
»Weit schwieriger, als Ihr Euch vorstellen könntet«, antwortete Viga und rieb sich den Bart. »Aber wie ich höre, habt Ihr selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie haben etwas mit einem alten, bärtigen Soldaten zu tun? Einem Bewohner von Jalder, jedenfalls sagte man mir das.«
Graal zwang sich zu einem Lächeln. »Ein Nichts«, antwortete er. Die Schnitter beobachteten ihn, warteten auf seinen Befehl; als würde er ein Insekt verscheuchen, gab er ihnen Instruktionen. Dann machten sich die Kreaturen daran, die halb gefrorenen Leichen anzuheben und sie in lange, dünne Schlitze am Fuß der Raffinerie zu schieben. Das kostete sie nur wenig Mühe. Denn in dem Moment, in dem eine Leiche den Schlitz berührte, wurde sie hineingesogen. Im selben Moment schien ein tiefes Brummen aus dem Boden aufzusteigen, und Graal stellte sich vor, dass er die riesigen und doch so subtilen Uhrwerkmaschinen in den Blutraffinerien spüren,
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