Keltenfluch
irgendwo abgelegt. Vielleicht finde ich zuerst ihren Kopf und dann den Körper. Wie bei meiner Mutter. Ich habe mich zu weit vorgewagt. Ich hätte es wissen müssen. Der alte Fluch ist zu stark für mich gewesen.«
»Warum gehen Sie immer davon aus, dass Ihre Freundin nicht mehr am Leben ist?«
»Bill, das ist das Gesetz der Serie. Sie bringen alle um, die sich ihnen in den Weg stellen. Auch ich werde daran glauben müssen.«
»Wer ist denn sie?« fragte ich.
»Der Fluch. Der Keltenfluch. Die Sünden der Vergangenheit. All das Grauen, das ich aus der Tiefe hervorgeholt habe. So und nicht anders muss man die Dinge sehen.«
»Sie haben gegraben«, sagte Bill.
»Ja.«
»Was haben Sie gefunden?«
»Nichts, Bill, gar nichts. Oder noch nichts. Ich muss nur etwas berührt haben. Ich habe einen Kontakt ausgelöst, unterbrochen, wie auch immer. Dadurch ist die Vergangenheit wieder frei gekommen. Ich habe das Grauen geweckt, und ich trage die Schuld, wenn Cella sterben sollte. Falls sie es nicht schon ist.«
»Dann sollten wir dort mit unserer Suche anfangen, wo Sie gegraben haben.«
»Da findet man nichts.«
»Wir könnten es hervorlocken.«
Tony Hellman ging nicht auf Bills Vorschlag ein. »Es wird gleich dunkel werden. Im Camp arbeiten sie zwar noch weiter, aber dort, wo ich habe graben lassen …«
Diesmal mischte ich mich ein und ließ ihn nicht ausreden. »Könnte es denn nicht sein, dass gerade die Dunkelheit ein wichtiger Pluspunkt für uns ist? Die Geschöpfe der Nacht, der alte Zauber, der gerade in diesen Stunden seine höchste Wirkung hat. Ich schlage vor, dass wir uns so bald wie möglich auf den Weg machen. Und Sie sollten auf jeden Fall mit dabei sein, Tony.«
»Das werde ich auch«, erwiderte er leise. »Es ist schließlich egal, wo ich sterbe.«
»Denken Sie doch nicht so.«
»Doch, das tue ich aber. Ich muss so denken, nach dem, was vorgefallen ist. Ich möchte nur, dass Cella überlebt. Ich glaube auch nicht, dass sie Benny getötet hat. Das war der gleiche Mörder, der auch meine Mutter umbrachte. Er hält sich hier irgendwo auf. Es muss ihm auch gelungen sein, riesige Entfernungen zurückzulegen. Er ist eben anders. Stärker und gefährlicher.«
»Und er ist dort begraben, wo Sie gesucht haben, nicht wahr? In dieser alten Kultstätte, die zu dem Keltendorf gehört hat, das hier freigelegt wird.«
Er nickte mir zu. »So sieht es aus. Aber ich kann das alles nicht richtig begreifen. Es ist so weit weg und unfassbar für mich. Ich habe gegraben, um etwas zu finden. Was ist tatsächlich passiert? Ich habe etwas geweckt. Etwas Furchtbares, das besser im Verborgenen geblieben wäre. Nicht nur heute gibt es Killer und Mörder. Die haben schon immer und zu allen Zeiten existiert, sage ich Ihnen.«
»Dann sollten wir jetzt gehen«, schlug ich vor. »Brauchen wir Taschenlampen?«
»Eigentlich schon. Ich werde meine holen.«
Er stand auf, und wir ließen ihn vorbei. Tony wühlte in einer Bodentruhe herum und hielt schließlich seine Lampe hoch. »Eine fehlt«, meldete er.
»Wieso?«
Er drehte sich zu Bill um. »Die meiner Freundin.«
»Was schließen Sie daraus?«
Er wollte lachen. Zumindest sah er so aus. Dann verbiss er es sich und schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr verboten, allein die Ausgrabungsstätte zu besuchen. Immer wieder habe ich sie darauf hingewiesen. Und wenn ich das hier sehe, dann hat sie die Lampe genommen und ist dort hingegangen.«
»Ohne Grund?« fragte ich.
Tony zuckte mit den Schultern. »Was soll ich dazu sagen? Cella kann es langweilig gewesen sein. Sie gehört zu den aktiven Menschen, die einfach immer etwas tun müssen. Sie kann nicht nur einfach hier herumsitzen und auf mich warten. Ich kann mir vorstellen, dass sie auf eigene Faust losgezogen und damit in ihr Verderben gegangen ist.«
Das hörte sich schlimm an, doch widersprechen wollte ich nicht. Alles war möglich, denn noch hatten wir das Rätsel des Keltenfluchs nicht ergründet.
Bevor wir den Wagen verließen, kam ich noch einmal auf das Bild zu sprechen, das Tony gesehen hatte. Es war immer schnell erschienen und auch ebenso schnell wieder verschwunden. Noch einmal ließ ich mir das Motiv erklären, und Bill hörte zu.
»Drei Personen eigentlich. Ein Mann, eine Frau und ein Zwerg. Der Mann sah vornehm aus. Er hielt einen Stab in der Hand. Die Frau wirkte ebenfalls edel. Und der Zwerg…?« Er hob die Schultern.
»Wie soll ich ihn beschreiben? Wie ein Zwerg eben.«
»War da nicht noch etwas?«
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