Keltengrab: Thriller (German Edition)
klären, wie wir es mit den Besuchen bei Dad zu Weihnachten halten. Wie stellst du es dir vor?«
Sie schrieb mit gesenktem Kopf weiter.
»Komm, Mum, mach es nicht noch schwerer. Wir müssen uns entscheiden.«
Sie hob den Kopf, und ihre Augen schwammen in Tränen. »Unsere besondere Zeit war immer der Heilige Abend. Wenn du und Richard schon geschlafen habt und wir die Spielsachen in eure Zimmer gebracht haben, ohne euch zu wecken. Und später, als ihr Teenager wart und mit euren Freunden unterwegs sein wolltet, da ist er bei mir geblieben, wenn ich den Truthahn gefüllt und den Schinken gekocht habe, kein Pub, keine Partys, er hat nur wunderbare Weihnachtsmusik aufgelegt und ist mir beim Kochen zur Hand gegangen.«
Ich wandte den Kopf zur Seite, weil ich nicht wollte, dass sie sah, wie bewegt ich war.
»Und dann seid ihr beide nach der Christmette nach Hause gekommen, und wir haben unsere Geschenke geöffnet, aber nur die von uns gegenseitig.«
»Und die anderen um den Tisch herum am Weihnachtsmorgen. Ich weiß, Mum. Das waren ganz besondere Zeiten und werden es immer bleiben. Aber die Dinge sind nicht mehr so. Du hast dich schon einmal an Veränderungen gewöhnt – wir sind erwachsen geworden. Jetzt ist wieder alles anders. Dad ist nicht mehr bei uns daheim. Aber wir können zu ihm gehen. Können eine Weile bei ihm sitzen und vielleicht sogar über unsere Erinnerungen reden, damit er zuhören kann.«
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und setzte sich aufrecht. »Gott hat dir die Kraft gegeben, uns alle durch diese Zeit zu führen – das ist ein großes Geschenk, Illaun, und eine große Last. Ich verspreche, ich mache mir heute Gedanken darüber. Vielleicht entwerfe ich sogar einen Besuchsplan, damit wir uns oder ihn nicht ermüden. Und ich unterstütze dich, wenn es darum geht, Richard zu überzeugen.«
Als wäre sie von einer Lähmung geheilt worden, stand sie auf und ging mir mit ausgestreckten Armen entgegen.
»Ach, Mum«, seufzte ich. »Richard will unbedingt seinen Willen durchsetzen. Und er behandelt mich als seinen Feind. Es ist wie eine Kraftprobe.«
»Ich werde keine Differenzen wegen deines Vaters über Weihnachten im Haus dulden. Das würde er zutiefst verabscheuen. Es wird alles geklärt werden, mein Wort darauf.«
»Hallo.« Die Anruferin musste sich nicht vorstellen.
»Hi, Fran, ich sitze erst seit fünf Minuten wieder am Schreibtisch.«
»Ich wollte dich nur an unsere Verabredung zum Lunch heute Mittag erinnern.« Fran kannte mich.
»Ich weiß. Halb eins, im Old Mill .«
» Walter’s .«
» Walter’s , richtig. Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich heute Abend zu einem besonderen Ereignis nach Dublin fahre?«
»Nämlich?«
»Zu einem Empfang bei Jocelyn Carew. Im privaten Rahmen, wie es heißt.«
»Klingt aufregend. Mit wem fährst du hin – doch nicht etwa mit Finian.«
»Doch, und du brauchst nicht so abschätzig zu tun. Ich weiß, dass du auch gern dabei wärst.«
»Nie im Leben. Ich würde einen Abend mit dem gut aussehenden Elektriker vorziehen, der gesagt hat, er würde gern die Lichter an meinem Weihnachtsbaum anzünden.«
»Er war nicht zufällig rot gekleidet und trug einen weißen Bart?«
»Jetzt, wo du es sagst … Stimmt! Er meinte außerdem, er würde am Heiligen Abend in meinen Kamin fahren.«
Ich sagte Fran, sie sei obszön, was sie als Kompliment aufzufassen schien, und legte auf.
Kaum hatte ich fünf Minuten an dem Bericht gearbeitet, läutete das Telefon erneut. Ich nahm sofort ab, anstatt mir den Sermon auf dem Anrufbeantworter anzuhören. Wo blieb Peggy eigentlich?
Meine gereizte Stimmung legte sich, als ich Seamus Crean in der Leitung hörte.
»Seamus, wie geht es Ihnen?«
»Nicht so toll, Misses. Das Asthma setzt mir zu.«
»Tut mir Leid, das zu hören.« Ich nahm an, es kam daher, dass man ihn aufs Revier geschleppt hatte.
»Jedenfalls rufe ich an, um Ihnen zu sagen, dass ich mit meinem Vater geredet habe …« Er hielt inne und rang keuchend um Luft. »Morgen um vier hätte er Zeit.«
»Zeit wofür?«
»Um sich mit Ihnen zu treffen. In Mick Dorans Pub, hier in Donore. Um diese Zeit ist nichts los.«
Ich wusste nicht, wovon er sprach.
»Sie sagten doch, Sie wären an diesen Erscheinungen interessiert.«
So vage wie nur möglich, wie ich mich nun erinnerte. Aber ich hatte nicht den Nerv abzusagen. Und soweit ich in meinem Kalender sehen konnte, hatte ich am Nachmittag nichts anderes vor. »Danke, Seamus. Ich werde
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