Kelwitts Stern
tun.«
»Wir suchen etwas«, sagte Sabrina verhalten.
»Du«, erwiderte Dorothea. »Du suchst etwas.«
»Also gut. Ich.«
»Und du wirst mir später erklären, was. In hundert Jahren oder so.« Allmählich wurde selbst die sehr geduldige Dorothea unwirsch.
Sabrina zog sie am Ärmel mit sich. Sie setzten sich in Bewegung, in langsamem Schlenderschritt von dem Platz mit dem Brunnen fort. Aus einem Hof bellte sie ein Hund an, der zum Glück an einer festen Kette war. »Ich würde dir gern erklären, was ich suche«, meinte Sabrina.
»Aber du hast Angst, mich zu gefährden.«
»Nein«, sagte Sabrina. »Ich habe Angst, du könntest glauben, ich sei verrückt geworden, und davonlaufen, noch ehe ich zu Ende gesprochen habe.«
Dorothea blinzelte verwundert. »Aber ich weiß doch, dass du verrückt bist!«
»Also gut«, gab sich Sabrina einen Ruck. Sie blieb stehen. Der Hund an der Kette brachte sich schier um. »Wir beherbergen zu Hause zurzeit einen Außerirdischen.«
»Ich wusste nicht, dass du so verrückt bist.«
»Doro, das ist kein Witz!«, versetzte Sabrina scharf. »Ich weiß, dass es doof klingt. Was glaubst du, warum ich das die ganze Zeit vor mir hergeschoben habe? Aber ich kann auch nichts machen, es ist einfach so.«
Dorothea hatte die Stirn in fürchterliche Falten gelegt. »Entschuldige, aber erklär mir mal, was ein Außerirdischer bei euch zu Hause macht. Und wenn du jetzt sagst, die Marsmenschen fühlen sich durch die ewigen Silvesterfeuerwerke am Himmel gestört und haben einen Botschafter zu deinem Vater geschickt, damit der seine Produktion einstellt, dann bist du nicht mehr meine Freundin.«
»Mit dem Mars hat das überhaupt nichts zu tun. Kelwitt kommt vom Planeten Jombuur, der eine Sonne in der Nähe des Milchstraßenzentrums umkreist …«
»Kelwitt? Er hat einen Namen?«
»Ja, sicher.«
»Das heißt, er spricht mit euch?«
»Mit einem Übersetzungsgerät.«
Dorothea sah sie mit großen Augen an, in denen allmählich ein Schimmer von Beleidigtsein auftauchte. »Und er ist nicht auf dem Rasen vor dem Weißen Haus gelandet und auch nicht vor dem Petersdom oder bei den Pyramiden, sondern bei euch im Garten. Warum erzählst du mir so einen Scheiß?«
Ich hätte sie mit Kelwitt bekannt machen sollen, ehe wir losgefahren sind!, erkannte Sabrina bestürzt. »Nein, so war das nicht. Er ist am siebzehnten Dezember abgestürzt, hier in der Nähe von Blaukirch. Mein Vater und ich haben ihn auf der Bundesstraße aufgelesen, auf dem Heimweg vom Internat, und erst wussten wir auch nicht, was los ist, weil sein Übersetzungsgerät erst unsere Sprache lernen musste. Er hat bei uns darauf gewartet, dass er von seinen Leuten abgeholt wird, aber aus irgendeinem Grund kommt niemand. Er kann zwar unsere Luft atmen, aber er wird allmählich krank davon, und unsere Nahrung verträgt er auch nicht. Er braucht sein Raumschiff zurück, aber man hat seinen Absturz beobachtet – mit Radar oder was weiß ich – und ist hinter ihm her. Ich bin hier, um herauszufinden, wo sein Raumschiff abgeblieben ist und wie man es vielleicht … Dorothea? Was ist mit dir?«
Ihre Freundin starrte sie plötzlich an, als sehe sie Gespenster. Noch ein Millimeter mehr, und die Augen würden einfach aus den Höhlen fallen.
»Doro, ich schwör’ dir, dass ich die Wahrheit …«
»Ist es in eine Scheune gestürzt?«, fragte Dorothea flüsternd.
»Wie?«, fragte Sabrina irritiert.
»Das Raumschiff. Ist es in eine Scheune gestürzt?«
Sabrina nickte verblüfft. »Ja. Woher weißt du das? Ja, es ist in einen Heuschober gestürzt, der dem Besitzer des Gasthauses dort vorn gehört. So viel habe ich gestern herausgefunden. Aber es ist nicht mehr dort.«
»Sie haben es fortgebracht. In den Rübenkeller. Bei dem Haus mit dem blauen Dach.«
Jetzt war es Sabrina, die nicht wusste, was sie sagen sollte.
»Gestern, als du unterwegs warst und ich im Auto gewartet habe«, erzählte Dorothea flüsternd, »kam ein alter Mann daher, der einen Hund hatte, der Bundeskanzler hieß. Der hat mir das erzählt.«
»Bundeskanzler.«
»Ja. Seltsamer Name für einen Hund.«
»Und was hat der dir erzählt?«
»Dass er gesehen hätte, wie ›es‹ vom Himmel gefallen sei. In die Scheune vom Brunnenwirt hinein. Ich wusste nicht, was er meinte, und ehrlich gesagt stank er so nach Alkohol, dass ich es auch nicht wissen wollte.«
»Und dann? Wie war das mit dem Rübenkeller?«
»Dorthin hätten ›sie‹ ›es‹ gebracht. In den Rübenkeller bei
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