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Kelwitts Stern

Kelwitts Stern

Titel: Kelwitts Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Während Dorothea den letzten Schluck Kaffee trank, stand sie schon auf und bezahlte das Zimmer, dann gingen sie zum Auto und versteckten die Ausweise im Kofferraum, unter dem Reserverad. Sie fuhren zwei Straßen weiter und stellten den Wagen dann wieder ab.
    »Und jetzt?«, fragte Dorothea.
    Sabrina starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen, auf Misthaufen, Traktoren und das staubige Leuchtreklameschild einer winzigen Videothek. »Wenn ich das wüsste.«
    Sein Atemloch brannte bei jedem Atemzug. Es war ein leiser, aber unerbittlicher Schmerz, der sich nach und nach im ganzen Kopf ausbreitete. Der Drang, Nahrung aufzunehmen, wurde immer stärker und war auch schon fast zum Schmerz geworden. Aber er wagte es nicht, noch einmal Nahrungsmittel dieses Planeten zu essen. Nicht so, wie er sich fühlte.
    »Tik?«
    »Ich bin bereit.«
    »Wenn sie mich nicht vergessen haben – warum dauert es dann so lange, bis sie kommen?«
    »Es sind zahllose Ursachen denkbar, die eine derartige Verzögerung hervorrufen können. Es könnte zu einer Verwerfung der Sternstraße gekommen sein, was in den Randbezirken nicht selten ist. Eine Antriebsmaschine könnte Schaden genommen haben. Der Warenaustausch könnte sich verzögert haben. Ein Sternfahrer könnte während des Aufenthalts auf einer fremden Welt verletzt worden sein und …«
    »Es genügt. So genau will ich das nicht wissen.«
    Vielleicht war es an der Zeit, dem Unausweichlichen ins Auge zu blicken. Vielleicht war das die einzige Möglichkeit, noch die Reife der Seele zu erlangen, ehe es zu Ende ging.
    Vor ihm auf dem Tisch lagen einige Blätter der Schreibfolie, die die Erdbewohner benutzten. Sie nannten es »Papier«, und Unsremuutr hatte ihm Papier besorgt, das etwas unempfindlicher gegen Wasser war als üblich. Er konnte es ohne Handschuhe anfassen und sogar darauf schreiben, ohne es zu beschädigen.
    »Alles ist rechteckig bei ihnen«, meinte er nachdenklich. »Sogar das.«
    »Die rechteckige Form hat praktische Vorteile. Sie ermöglicht es, Dinge auf einfache Weise ohne Zwischenräume zu lagern.«
    Kelwitt stieß den Laut der Verwunderung aus. »Das kann ja wohl kaum der Grund …« Er hielt inne. »Doch. Auf einem so dicht besiedelten Planeten ist das möglicherweise ausschlaggebend.« Er dachte an die hoch gebauten Nester der Erdbewohner. Nahmen sie diese eintönigen Formen tatsächlich nur in Kauf aus Gründen höherer Packungsdichte …?
    Er machte die Geste der Resignation. Mit dem Schneidegerät, das aus zwei miteinander verschraubten Klingen bestand, beschnitt er einige Bogen Papier, bis sie annähernd die Gestalt hatten, die angemessen war. Angemessen für ein Vermächtnis. Die Gestalt, die man auf Jombuur persönlichen Mitteilungen für den Fall des eigenen Todes gab.
    Er nahm das Schreibgerät in die Hand, einen dünnen Zylinder, der an einem Ende einen Knopf hatte, den man eindrücken musste, damit am anderen Ende die farbgebende Spitze zum Vorschein kam. Das Ganze war relativ simpel und einfarbig; er würde nur die Notizschrift verwenden können. Kelwitt begann aufzuschreiben, was ihm seit Verlassen des Mutterschiffs widerfahren war.
    Nachmittags meldete sich Rainer Weck noch einmal. »Wann stehst du morgen früh auf?«, wollte er wissen.
    »Keine Ahnung. Wann wir eben aufwachen«, erwiderte Thomas Thieme. »Elke hat Spätschicht, da stehen wir meistens gegen acht auf. Warum?«
    »Weil ich nach Stuttgart komme. Heute um siebzehn Uhr ist hier Schluss, die Unibibliothek macht erst im nächsten Jahrtausend wieder auf. Ich pack’ dann meine Sachen und fahr’ die Nacht durch. Morgen früh um sechs steh’ ich bei dir vor der Tür. Dann schauen wir ihn uns mal vor Ort an, deinen Außerirdischen.«
    Irgendwann würde es auffallen, wie sie hier herumstanden. Und Dorothea gab sich keine besondere Mühe, unauffällig zu wirken. Warum auch, wenn sie nicht wusste, worum es ging? Klotzig wie ein Stein stand sie neben ihr und glotzte unverhohlen in die Richtung, in die Sabrina nur beiläufig zu schauen sich bemühte.
    Der Gasthof am Brunnen schien das Hauptquartier der Männer zu sein, die in Blaukirch herumschwärmten und verdammt noch mal nicht so aussahen, als gehörten sie hierher. Zwar trugen sie keine Trenchcoats mit hochgeschlagenen Kragen, aber sie wirkten, als seien die bloß grade in der Reinigung.
    »Mir ist kalt«, beschwerte sich Dorothea zum wiederholten Mal und scharrte ungeduldig mit den Schuhen. »Hunger habe ich auch. Und keine Ahnung, was wir hier

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